Show statt Information über türkische Forderungen

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Maren
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Show statt Information über türkische Forderungen

Beitrag von Maren »

NDR-Rundfunkrat
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Programmbeschwerde: Show statt Information über türkische Forderungen

ARD-aktuell, Sendungen aller Formate vom 7. bis 9. März

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,

ARD-aktuell hat im genannten Zeitraum wiederholt über den angeblich türkischen „1:1-Vorschlag“ zur Lösung der „Flüchtlingskrise“ berichtet

- obwohl seit Oktober vorigen Jahres der Urheber des Konzepts bekannt ist und es keines großen Rechercheaufwands bedurft hätte, den von den Nachrichtenagenturen verbreiteten Nebel aufzulösen und mit eigenen, besseren Informationen aufzuwarten,

- obwohl ARD-aktuell über ein ausgebautes und gut besetztes „Hauptstadtstudio“ in Berlin verfügt, in Brüssel über ein Korrespondentenbüro und in Hamburg-Lokstedt über eine Planungsredaktion,

blieb es Internetportalen wie den NachDenkSeiten und Spiegelfechter vorbehalten, mitzuteilen, was Sache ist und welcher Skandal sich hinter dem angeblich türkischen 1:1-Vorschlag verbirgt: Anfang Oktober vorigen Jahres legte das ESI ein entsprechendes Konzept vor, und wer diese European Stability Initiative ist, das weiß ein guter Journalist schnell zu ermitteln. Ein internationaler think tank unter denkbar größtem US-Einfluss und vor allem unter dem des Kriegstreibers par excellence, George Soros, der auch im Ukraine-Putsch seine schmutzigen Pfoten hat. Dem ESI-Plan folgt eine US-hörige Kanzlerin, und zu Tarnzwecken schiebt Berlin ihn dem Türken Davitoglu in die Tasche.

„Warum liest, hört und sieht man davon nichts in unseren Qualitätsmedien?“ Mit diesem Satz endet der hier anschließend im Wortlaut zitierte Artikel des Kollegen Jens Berger. Seine Frage übernehmen wir als speziell an ARD-aktuell zu adressieren und richten sie an den Rundfunkrat in Form einer Beschwerde: Einem journalistischen „Einzelkämpfer“ gelang, wie man sieht, eine schlüssige Darstellung der faktischen Hintergründe der Polit-Show, die gegenwärtig in Berlin und Brüssel aufgeführt wird. Der Tagesschau gelang das offenbar deshalb nicht, weil es nicht dem Wunsch ihrer Oberen entsprach.


Höflich grüßen

Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer



Der türkische „Merkel Plan“ – eine Showveranstaltung auf hohem Niveau

9. März 2016 um 11:16 Uhr

Verantwortlich: Jens Berger

Unser gestriger Artikel „Der Flüchtlingsgipfel von Wolkenkuckucksheim“ hat erfreulich viele konstruktive Leserzuschriften hervorgebracht. Interessant für alle Leser sind dabei sicher vor allem die ergänzenden Informationen zur Entstehungsgeschichte des „1-für-1-Plans“. Offiziell ist dieser Plan ja ein „überraschender“ Vorstoß des türkischen Premiers Davutoğlu. „Türkisch“ ist an diesem Plan jedoch überhaupt nichts, fußt er doch 1:1 auf einem Strategiepapier mit dem schönen Namen „Merkel Plan“. Der „Merkel Plan“ wurde übrigens nicht, wie der Name suggeriert, von der deutschen Regierung, sondern von der ESI, einem internationalen Think Tank, entworfen, das von zahlreichen europäischen und amerikanischen Regierungen, NGOs und Think Tanks, wie beispielsweise der Stiftung Mercator, George Sorors Open Society Institute, dem Rockefeller Brothers Fund und dem German Marshall Funds finanziert wird. Honi soit qui mal y pense, ein Schuft, wer Böses dabei denkt. Von Jens Berger.

Der „Merkel Plan“ wurde am 4. Oktober 2015 von der European Stability Initiative (ESI) fertiggestellt. Seine Kernpunkte sind:

Deutschland bietet in den nächsten 12 Monaten 500.000 syrischen Flüchtlingen, die in türkischen Lagern registriert sind, offiziell Asyl an und transportiert diese Flüchtlinge auf geordneten Wegen nach Deutschland.

Im Gegenzug nimmt die Türkei sämtliche Flüchtlinge auf bzw. zurück, die Griechenland über die Ägäis erreichen.

Deutschland kompensiert das türkische Entgegenkommen durch Finanzhilfen und politische Unterstützung bei der Erlangung der EU-Visafreiheit im Jahr 2016.

Aufmerksame Leser werden bereits erkennen, dass diese Kernpunkte nahezu komplett dem Vorstoß entsprechen, den der türkische Premier Davutoğlu der EU „überraschend“ am Wochenende vorlegte. Nur ein einziger elementarer Unterschied besteht zwischen dem „Merkel Plan“ und dem türkischen „1-für-1-Plan“: Im „Merkel Plan“ geht es ausschließlich um Deutschland. Die Autoren der ESI gehen in der Begründung bereits davon aus, dass es ohnehin keine EU-Lösung für die Verteilung der Flüchtlinge geben wird. Daher fordert der Bericht Deutschland auf, voran zu gehen und dann freiwillige Verbündete zu finden, die sich mit freiwilligen Kontingenten an der Aufnahme beteiligen. Die Balkanroute sollte übrigens mit diesem Plan nie geschlossen werden. Die Autoren beabsichtigen lediglich, den Druck herauszunehmen und die Migrationsströme über die Ägäis zu begrenzen.

Der Verdienst, den „Merkel Plan“ auf europäische Ebene zu hieven, gebührt übrigens auch nicht der türkischen Regierung, sondern dem Führungsgespann der Großen Koalition in den Niederlanden – Mark Rutte und Diederick Samsom. Der „Plan Samsom“ baut 1:1 auf dem „Merkel Plan“ auf – kein Wunder, wurde er doch sowohl mit der ESI als auch mit der deutschen Regierung abgestimmt. Neu beim „Plan Samsom“ ist, dass er die Rolle des Aufnahmelandes, die ursprünglich nur für Deutschland vorgesehen war, nun auf Deutschland plus X festlegt, die Verhandlungen mit der Türkei auf die europäische Ebene hievt, aber gleichzeitig auch feststellt, dass die „Aufnahme von Flüchtlingen“ für die übrigen EU-Staaten „nicht verpflichtend“ ist. Als potentielle Partner Deutschlands – hier spricht man übrigens reichlich geschichtsvergessen von einer „Koalition der Willigen“ – bringen die Niederländer dabei Schweden, Österreich, Frankreich, Italien, Portugal und natürlich sich selbst ins Spiel. Dass die krisengeschüttelten Südeuropäer nicht einmal im Traum daran denken, freiwillig zusätzliche Kontingente aufzunehmen, ist bekannt. Frankreich hat Diederick Samsom offenbar auch bereits die kalte Schulter gezeigt und die österreichische Regierung hat in den letzten Monaten ebenfalls fluchtartig das deutsche Lager verlassen. Übrig bleiben also Schweden und die Niederlande … und in diesem Kontext passt der Begriff „Koalition der Willigen“ dann doch wieder. Bezeichnenderweise sind dies auch exakt die Länder, die aktuell als Aufnahmeländer im Fokus der Migrationswelle stehen.

Was hier passiert ist, ist im Grunde, dass die Türkei Frau Merkel und dem niederländischen Premierminister Rutte den „Merkel Plan“ präsentiert hat. Also das, was Frau Merkel selbst seit einigen Monaten vorschlägt.

Gerald Knaus, Vorsitzender der ESI im Interview mit dem SRF (ab 14:30)

Warum richtet sich dann aber der „1-für-1-Plan“ von Davutoğlu, der ihm – das sollte eigentlich nun feststehen – vor dem Gipfel von den Deutschen und den Niederländern in die Tasche geschoben wurde, an die gesamte EU? Auch Viktor Orbán, François Hollande und David Cameron können sich den „Merkel Plan“ im Internet anschauen und kennen natürlich auch den „Plan Samsom“. Warum bringt man einen gesamteuropäischen Rahmen ins Spiel, wenn die Autoren der Vorlage, also die ESI und das Duo Rutte/Samsom, selbst die Perspektive ausschließen, ihren Plan auf EU-Ebene zu implementieren? Die Antwort kann eigentlich nur lauten: Angela Merkel will sich kurz vor den Landtagswahlen noch ein wenig Zeit kaufen. Der große Gipfel war demnach eine reine Showveranstaltung. Was letzten Endes bilateral zwischen Deutschland und der Türkei beschlossen wird, dürfte in Grundzügen wahrscheinlich schon feststehen und dem „Merkel Plan“ entsprechen. Ob Angela Merkel dies politisch überlebt, ist eine andere Frage.

Eine weitere Frage, die man an dieser Stelle behandeln muss, ist die Frage, warum eine gewählte Regierung sich von einem ganz offensichtlich Partikularinteressen unterworfenen Think Tank derart weitreichende Konzepte schreiben lässt. Der „Merkel Plan“ heißt ja nicht umsonst so. Daher muss man hier Fragen stellen:

Wer hat den Plan beauftragt?

Wer hat das ESI für diese Arbeit bezahlt? Ist die Bundesregierung nicht auch der Meinung, dass eine Interessenkollision vorliegt, wenn sie sich Konzepte von einem Think Tank erarbeiten lässt, das auch von amerikanischen Interessengruppen finanziert wird?

Meint die Bundesregierung, dass es der demokratischen Praxis entspricht, bei derartig weitreichenden Weichenstellungen nicht nur den Bundestag, sondern auch die deutsche Öffentlichkeit an der Nase herumzuführen?

Und natürlich darf hier auch die obligatorische Frage nicht fehlen: Warum liest, hört und sieht man davon nichts in unseren Qualitätsmedien?
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Maren
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Re: Show statt Information über türkische Forderungen

Beitrag von Maren »

Betreff: Ihre E-Mail vom 11. März 2016

Sehr geehrter Herr Klinkhammer,
sehr geehrter Herr Bräutigam,

in Ihrer E-Mail vom 11. März 2016 kritisieren Sie die Berichterstattung von ARD-aktuell zum Gipfel von EU und Türkei.

Ich habe die verantwortliche Redaktion gebeten, zu Ihrer Kritik Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme finden Sie im Anhang.
Stellungnahme EU Türkei_geschwärzt.pdf
(2.37 MiB) 846-mal heruntergeladen

Mit freundlichen Grüßen

Lutz Marmor
Intendant des Norddeutschen Rundfunks
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