Rundfunkrat
Frau
Dagmar Pohl-Laukamp
Rothenbaumchausse 132
20149 Hamburg
22.4.2015
Programmbeschwerde
Sehr verehrte Frau Vorsitzende,
in den Sendungen von "Ard-aktuell häufen sich Unzulänglichkeiten, die bis hin zu Verstößen gegen den NDR-Staatsvertrag reichen. Hier wieder zwei illustre Beispiele:
Unterdrücken relevanter Inforamtionen
300 US-Fallschirmjäger sollen unweit des westukrainischen Lwow in den kommenden Monaten 900 Soldaten der sogenannten Nationalgarde (die mit den Hakenkreuzen) die Kriegführung gegen den abtrünnigen Osten des Landes trainieren.
Unter Nr. 10 des Maßnahmenkataloges zum Waffenstillstandsabkommen "Minsk II" ist hingegen vereinbart:
Wenn die USA dennoch 300 Soldaten ihrer Armee, in der Ukraine belassen, ist das ein Verstoß gegen das von Merkel/Hollande ausgehandelte Waffenstillstandsabkommen."Der Abzug aller ausländischer bewaffneter Einheiten und von [deren] Militärtechnik, ebenso von Söldnern, vom Territorium der Ukraine unter Beobachtung durch die OSZE. Entwaffnung aller illegalen Gruppierungen."
Dass weder "Tagesthemen" noch "Tagesschau" herüber berichten, ist angesichts der Bedeutung der erneuten US/Poroschenko-Provokation für den Frieden in Osteuropa nichts anderes als ein Unterdrücken von relevanten Informationen, und somit ein Verstoß gegen den NDR-Staatsvertrag.
Propagandistische Moderation (TT vom 19.4.2015)
Die Moderation zum Bericht über die Mordserie an den Oppositionellen der Kiew-Regierung ist ein Fall von Propaganda. In der Moderation von Pinar Atalay ist nicht objektiv zutreffend von Morden die Rede ist, sondern sehr distanziert heißt es, der ermordete Journalist sei "erschossen" und der Politiker sei "tot aufgefunden" worden. Warum diese sprachliche Zurückhaltung?
Im Fall Nemzow hörte sich das ganz anders an, obwohl dort genausowenig belegbare Tatsachen über die Tathintergründe bekannt waren, wie jetzt bei der ukrainischen Mordserie. Bei dem Mord in Moskau verstiegen sich die für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten tätige Journalisten sogar dazu, Putin persönlich für den Mord verantwortlich zu machen. Bei Poroschenko ist man da viel gnädiger: Dem nimmt man ersichtlich bereitwillig die neueste Verschwörungstheorie ab, der russische Geheimdienst stecke hinter den Morden und suggeriert eine solche Räuberpistole sie ungeniert als realitätsgerechte Darstellung der deutschen Öffentlichkeit. Der Grund für diese auffällige Art der Präsentation ist klar, man nutzt ARD-aktuell als Propaganda-Forum:
Nach Noam Chomsky liegt eine Propaganda-Meldung vor, wenn "Verbrechen des Feindes akribisch beleuchtet werden, während eigene Untaten in das milde Licht der Nachsicht getaucht werden". Frau Atalay hat für diese Chomsky-Erkenntnis Modell gestanden.
Der Journalist Oles Busina war kein "prorussischer" Journalist. Er war ein mutiger und kritischer ukrainischer Journalist, der kurz vor seiner Ermordung im ukrainischen Fernsehen ein Interview gab, in dem er klar legte, dass er in der inzwischen vorherrschenden Mediendiktatur des Proschenko- Systems keine Veröffentlichungsmöglichkeit mehr habe. Man werfe ihm Ukraine-Feindlichkeit vor, obwohl er nichts anderes mache, als Kritik an der Kiew-Regierung zu üben.
Die Verwendung des Begriffes "prorussischer Journalist" in den "Tagesthemen" ist in diesem Fall denunziatorisch. Bisher nannte man lediglich die ostukrainischen Kampfeinheiten im krisengeschüttelten Osten der Ukraine verkürzt "prorussisch", obwohl die nicht zwangsläufig für einen Anschluss an Russland sind, sondern sich lediglich auf gemeinsame Sprache und Kulturtraditionen mit Russland berufen. Und dass die "Tagesthemen" einen ermordeten oppositionellen Journalisten bewusst als "Prorussen" denunzieren, obwohl der in Kiew lebte, zeigt sich daran, dass Frau Pinar Atalay nicht einmal die Namen der Ermordeten nannte.
Eine ungewöhnlich respektlose Attitüde einer Journalistin gegenüber einem ermordeten Kollegen.
Wie bereits im Prominenten-Appell von Helmut Kohl, Gerhard Schröder u.a. hatte die ARD auch in diesem Fall den Einstieg in die Aktualität verpasst. Am Tag der Morde gab es überhaupt keine Nachricht, einen Tag später – nachdem die UNO den Fall aufgegriffen hatte – sendete man dann zwei Informationshäppchen von je 30 Sekunden, zehn Sekunden davon mit dem verschwörungstheorethischen Hinweis auf den russischen Geheimdienst als Täter. Erst am 19.4.15 – drei Tage nach dem Mord bequemte man sich zu dem etwas umfangreicheren Bericht mit der propagandistischen Moderation.
Da nach meiner Auffassung das Unterdrücken wesentlicher Informationen und die Einseitigkeit (Propaganda) von Berichten und Meldungen nicht mit den Regelungen des Staatsvertrages vereinbar sind, bitte ich um Prüfung der Angelegenheit.
Mit freundlichen Grüßen
F.Klinkhammer