Sprachregelung für "gemäßigte Rebellen" vermisst

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Maren
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Sprachregelung für "gemäßigte Rebellen" vermisst

Beitrag von Maren »

Programm-Beschwerde: Tagesschau 9.12.15, 20.00 Uhr


Sehr geehrter Herr Marmor,

obwohl Sie uns kürzlich mitgeteilt hatten, eine neue Sprachregelung für " gemäßigte Rebellen" in Syrien finden zu wollen, ist davon bisher nichts zu bemerken. Im Gegenteil:

In der Tagesschau-Ausgabe vom 9.12.2015 wurde eine Karte gezeigt, auf der das von der terroristischen Gruppierung Al nusra ( ein Alkaida-Ableger) beherrschte Gebiet (nördlich von Homs) verharmlosend als Gebiet von "Rebellen" bezeichnet wurde.

Im Begleitkommentar des Korrespondenten Volker Schwenck wurde dann noch eins draufgesetzt:

“Mit am Tisch in Riad sitzen auch islamistische Gruppen wie Ahrar al-Sham – nicht unumstritten selbst in Teilen der Opposition. Russland, das Assad unterstützt betrachtet die Gruppe als terroristisch, genauso wie den syrischen al-Kaida-Ableger von der Nusra-Front. Al-Nusra wurde nicht nach Riad eingeladen und auch die Kurdenmilizen der PYD nicht, eine Schwesterorganisation der PKK.”

Hier leugnet Schwenck, dass al-Nusra faktisch und ohne jeden Zweifel eine Terrororganisation ist (sowohl von den USA, als auch von der UN so eingestuft), und suggeriert stattdessen, nur Russland würde diese Terroristen auch als solche einstufen. Auch die als “nicht unumstritten” zu bezeichnen, ist eine bei der Tagesschau typische Verharmlosung von Terroristen, wie wir sie vor einem Jahr mit der Beschreibung einer Heiratsromanze unter Terroristenpärchen schon einmal erleben konnten.

Sie werden als hoffentlich gut sortierter Nachrichtenladen wissen, dass das Oberlandesgericht Stuttgart aktuell gegen vier Unterstützer von Ahrar al-Sham in einem Staatsschutzverfahren verhandelt, dabei wird die Gruppierung unzweifelhaft als terroristische Vereinigung bezeichnet. Deshalb ist uns unverständlich, weshalb Sie zu der Behauptung kommen, nur Russland stufe die Ahrar al-Sham als terroristisch ein.

Nach Abschluss des Verfahrens ist darüber nachzudenken, ob die Berichterstattung von "Ard-aktuell" für islamistische Terroristen in Teilen eine strafbare Handlung darstellen könnte. Wir meinen, dass die Verharmlosung z.B. der Ahrar al-Sham gegenüber 9 Mio Zuschauern eine viel größere Wirkung hat, als der Tatvorwurf gegen die vier Unterstützer von Stuttgart, die Klamotten, Funkscanner und Krankenwagen, nach Syrien geliefert haben sollen.

Die Berichterstattung verstößt gegen die Programm-Richtlinien des NDR-Staatsvertrages.

Hörens- und sehenswert ist in diesem Zusammenhang ist die Auffassung der Bundesregierung.


Mit freundlichen Grüßen

F.Klinkhammer & V. Bräutigam
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Maren
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Re: Sprachregelung für "gemäßigte Rebellen" vermisst

Beitrag von Maren »

Stellungnahme von ARD-aktuell zu dem Schreiben von Herrn Friedhelm Klinkhammer und Herrn Volker Bräutigam
vom 10.12.2015 zur Verwendung des Begriffes „Rebellen“ - von Christian Nitsche (2. Chefredakteur ard-aktuell)

In ihrem Schreiben über die Tagung der syrischen Opposition in Riad vom 12.10.2015 kritisieren die Herren Klinkhammer und Bräutigam die Verwendung des Begriffes „Rebellen“ auf einer Illustration, die die Aufteilung Syriens zeigt.
Im Begleittext heißt es:

„Im Syrien-Konflikt haben erneut Gespräche über eine politische Lösung begonnen. In Saudi Arabien trafen sich Vertreter der zersplitterten syrischen Opposition. Ihre Einigung gilt als Voraussetzung für mögliche Friedens-Gespräche mit der Regierung von Präsident Assad. (Karte)Das syrische Militär hält vor allem Gebiete im Westen. Dort kämpfen auch viele unterschiedliche (j) aufständische Gruppen. Der sogenannte Islamische Staat hat sich vor allem östlich davon festgesetzt - und wird im Norden von kurdischen Einheiten bekämpft. Deren Vertreter waren jedoch nicht nach Riad eingeladen.“ (Ende VG Karte)

Auf der angesprochenen Karte wird das Gebiet der unterschiedlichen aufständischen Gruppen mit dem Begriff „Rebellen" gekennzeichnet. Das Wort „Rebell" leitet sich vom lateinischen Adjektiv rebellis = aufständisch ab und inkludiert bei entsprechend positiver oder negativer Konnotation die Begriffe Aufrührer, Aufständischer, Aufwiegler und bei extrem negativer Konntonation auch den Terroristen. Im Zusammenspiel von Text und Karte wird nichts verharmlost, der Begriff „Rebell“ umfasst in diesem Fall das weite Spektrum der aufständischen Gruppen.

Weiter wird kritisiert, dass der Autor Volker Schwenck im nachfolgenden Beitrag den Terrorstatus von Ahrar al-Sham leugnen würde. Im Filmtext heißt es: „Mit am Tisch in Riad sitzen auch islamistische Gruppen wie Ahrar al-Sham - nicht unumstritten selbst in Teilen der Opposition.

Russland, das Assad unterstützt, betrachtet die Gruppe als terroristisch, genauso wie den syrischen al-Kaida-Ableger von der Nusra-Front. Al-Nusra wurde nicht nach Riad eingeladen und auch die Kurdenmilizen der PYD nicht, eine Schwesterorganisation der PKK." Aus der Tatsache, dass Volker Schwenck die Gruppe Ahrar al- Sham nicht expressis verbis als Terrorgruppe benennt, ist aus unserer Sicht nicht der Vorwurf konstruierbar, dass die Verödung der Organisation geleugnet wird.

Die extremistische Organisation ist selbst den am Friedensprozeß beteiligten Gruppen zu radikal. Sie ist in der Vergangenheit durch besonders brutale Massaker und Enthauptungen aufgefallen und verfolgt eigene Ziele in Syrien http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/27l5/ak-10-15.php.

Ferner schreiben die Herren Klinkhammer und Bräutigam, es werde behauptet, es sei ausschließlich Russland, das die Ahrar al-Sham als terroristisch einstufe. Diese Behauptung wird in dem Beitrag nicht aufgestellt. Zudem ist in der Beschreibung, dass Russland diese Gruppierung als terroristisch einschätzt, keine Herabsetzung Russlands oder Kritik an der russischen Haltung zu erkennen. Tatsächlich ist es so, dass neben vielen europäischen Staaten und den USA auch Russland Ahrar al Sham als terroristische Gruppe einstuft. Sicher wäre dies durch die Verwendung des Begriffs „auch" zu Beginn des Satzes noch deutlicher geworden.
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Maren
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Re: Sprachregelung für "gemäßigte Rebellen" vermisst

Beitrag von Maren »

NDR-Rundfunkrat
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg


Programmbeschwerde vom 10.12.2015 - Antwort des Intendanten vom 29.12.15


Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben nicht, wie es in der Stellungnahme heisst, behauptet, dass ausschließlich Russland die Ahrar al-Sham als terroristisch eingestuft habe. Wir hatten gesagt, dass die UNO und die USA sie auf ihrer Terroristen-Liste führten, aber die Tagesschau sie als "Rebellen" verharmlose. Es werde sogar negiert, dass auch das OLG Stuttgart sie als terroristische Vereinigung einstufe. Außerdem hatten wir auf einen ARD-aktuell-Bericht verwiesen, in dem in romantisierender und ignoranter Weise über die Hochzeit eines Terror-Pärchens distanzlos Einblick in das Innenleben der Terror-Gruppe "Ahrar al-Sham" gegeben wurde.

Die Ausführungen über den Begriff "Rebellen" sind ebenfalls unsachgemäß, sie sollen offensichtlich verdecken, wie verharmlosend die ARD über terroristische Gruppen berichtet.

Auf breiter Ebene wurde in Syrien erst ab 2014 von Terrorismus gesprochen, als die Terrorgruppe ‘Islamischer Staat’ (ISIS) einen US-Journalisten enthauptete. Das war der Anlass für die die USA, mit der Bombardierung des Landes - ohne irgendein Mandat - zu beginnen. Bis dahin hießen alle islamistischen Kopf-ab-Schneider-Milizen „Rebellen“. Der Grund: Syriens Präsident Assad wurde regelmässig ein “Angriff auf die eigenen Bürger” vorgeworfen und damit der Präsident dämonisiert und medial zum Abschuss durch sogenannte "Rebellen" freigegeben. Da wurde auch gar nicht erst ordentlich recherchiert und nicht gefragt, ob es sich trotz der bedeutenden Präsenz fremder Kämpfer wirklich um einen “Bürgerkrieg” handelte. Es ging ja gemeinsam mit "den Rebellen" um Assads Sturz. Wollen wir nicht wenigstens bei der Darstellung der Historie uns noch halbwegs an Fakten halten? Soll das bereits an der bornierten Kritikabwehr der Redaktionsleitung von ARD-aktuell scheitern?

Als "der Russe" auf den Plan trat, tauchte der Begriff "gemäßigte Rebellen" verstärkt auf. Aber niemand konnte sagen, wer das eigentlich war, weil alle syrischen gewaltbereiten Opponenten unter dem Einfluss des Al-Kaida-Ablegers Al-Nusra und von Mörder-Banden wie Ahrar al-Sham stehen.

Da die Tagesschau nun in Erklärungsnot ist - nicht bereit, die Verharmlosung der Kopfabschneider durch das Gerede von "Rebellen“ einfach zuzugeben, tut sie so, als umfasse der Begriff der "Rebellen" auch die islamistischen Terroristen, die ja bisher für einen erfolgreichen Sturz Assads benötigt wurden. Das ist unredlich und billig.

Herr Nitsche zieht dabei eine Definition heran, die allerdings durchsichtig unbrauchbar ist. Er behauptet der Begriff "Rebell" sei negativ und positiv konnotierbar. Das ist falsch: Der Ausdruck “Rebell” bezeichnet jemanden, der an einer individuellen oder kollektiven Rebellion beteiligt ist. Rebellion bezeichnet Aufstand – also sich gegen etwas auflehnen was einem nicht gefällt. Zwar war das Wort in früheren Jahrhunderten abwertend.

Das Deutsche Rechtswörterbuch, nennt in der Sprache des 18. Jahrhunderts den Rebellen in einem Atemzug mit dem “Aufwiegler”, “Meuterer” und “Obrigkeitsschänder”. In heutiger Zeit hat sich das grundlegend geändert In der Popkultur assoziiert man heute mit dem Begriff “Rebell” gerne “jung”, “ungezähmt” oder “unberechenbar”. Das Wort erhält somit eine positive Konnotation. Im Gegensatz zu Begriffen, wie "Hassverbrecher" oder “Terrorist” wird der Begriff “Rebell” bei Berichten über Krisen und Kriege entgegen Herrn Nitsches Behauptung wertfrei rezipiert.

Das weitgehend unter Al-Nusra-Einfluss stehende Gebiet als "Rebellen-Region" darzustellen, ist demnach die Verharmlosung des Terrors in Syrien.

Ebenso verharmlosend ist es, die Ahrar al Sham nicht als eine auf der UNO-Liste stehende Terror-Organisation zu benennen, sondern so zu tun, als habe nur Russland (also die Bösen) ihr den Terror-Charakter zugeschrieben. Dass diese Verharmlosung System hat, zeigt sich an der Romantisierung der Terroristen-Hochzeit und daran, dass der OLG-Terroristen-Prozess in Stuttgart keine Berücksichtigung bei der "Bewertung von angeblichen Rebellen" fand.

Diese propaganda-belastete Berichterstattung verstößt gegen die Programm-Richtlinien des NDR-Staatsvertrages. Da hilft auch keine Verdrehung unserer Äußerungen und keine Rechtfertigungsakrobatik. In solchen verbalen Manövern drückt sich vielmehr eine unsägliche Arroganz der Chefredaktion gegenüber kritischen Zuschauern aus und übrigens auch gegenüber dem Rundfunkrat, der entweder als Begutachter solcher kritischen Eingaben nicht mehr ernst genommen oder in eine Kumpanei mit dem Management des Senders genommen wird. Wir bitten um Prüfung.

Mit höflichem Gruß

F. Klinkhammer & V. Bräutigam
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