ARD - Islamischer Staat" rückt weiter vor

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Maren
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ARD - Islamischer Staat" rückt weiter vor

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde

Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte: "Islamischer Staat" rückt weiter vor“ vom 1.11.15

Sehr geehrter Herr Marmor,

das online-Produkt von ARD-aktuell, tagesschau.de, gibt erneut Anlass zu einer Programmbeschwerde. Chefredakteur Herrn Dr. Gniffke und seinem Team ist ein weiterer Fall von Nachrichtenmanipulation vorzuwerfen. Wir fordern zur Prüfung des Beitrags "Islamischer Staat rückt weiter vor" dahingehend auf, ob er, wie wir meinen, Verstöße gegen die im Staatsvertrag festgelegten Programmrichtlinien enthält.

Bevor wir zum konkreten Beschwerdegegenstand kommen, weisen wir darauf hin, dass ARD-aktuell, obwohl Teil des gebührenfinanzierten Öffentlich-rechtlichen Rundfunks, auch im vorliegenden Fall in raffiniert unausgesprochenem antirussischem Duktus ( "IS weiter auf dem Vormarsch" = Russische Angriffe wirkungslos) vollkommen den Angeboten der Kommerzsender gleicht. Ebenso wie diese Medien ignoriert ARD-aktuell ethische Prinzipien des seriösen Journalismus, wonach Quellen von Nachrichten auf Sauberkeit und Informationen auf Stichhaltigkeit und Wahrheitsgehalt zu überprüfen sind, und zwar mittels Gegenrecherchen. Entsprechendes wird in Programmgrundsätzen und Programmrichtlinien des NDR-Staatsvertragews bekanntlich ebenfalls gefordert.

In abstoßender Übereinstimmung mit den Kommerzsendern greift die ARD-aktuell-Redaktion jedoch Behauptungen der „syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ auf, deren Wahrheitsgehalt sie weder überprüfen kann noch auch nur will: diesmal übernimmt die Redaktion ungeprüft zwei dürftige Mitteilungen, dass die Terrormiliz Islamischer Staat „auf dem Vormarsch“ sei, in der Provinz Homs eine Kleinstadt eingenommen habe und nunmehr ein 17 km entferntes Dorf angreife.

http://www.n-tv.de/politik/IS-Kaempfer- ... 58846.html

Nachricht 1: (wir zitieren die englischsprachige Originalversion der Beobachtungsstelle)

Violent attack by the “Islamic State” on Mahin town in the southeastern countryside of Homs

November 1, 2015 Comments Off on Violent attack by the “Islamic State” on Mahin town in the southeastern countryside of Homs

Homs Province:
Violent clashes are taking place between the regime forces and militiamen loyal to them against the “Islamic state” in the vicinity of Mahin town near the city al-Qaryatayn in the southeastern countryside of Homs, after detonated a booby trapped vehicle by the organization targeting a al-A’alaf checkpoint at the entrance of the town, the continuous clashes were accompanied by hearing a second explosion sound, it is believed to be caused by detonating another booby trapped vehicle by the organization in the area, amid advancement for the organization in the area, and information about casualties among both parties, while the regime forces bombed elsewhere in the area of al-Houla in the northern countryside of Homs, and there were no information about injuries. (9:38)

Nachricht 2:

Clashes around a Christian town in Homs countryside

Homs province: Clashes are taking place between regime forces and IS around Sadad town 14 km away from Homs-Damascus highway which is inhabited by Christians, after the regime lost control on Mahin town completely, leading to the death of 50 soldiers in regime forces and a number of militants in IS amid aerial bombardment on the area. (10:14 Uhr)

Allen Verbreitern dieser Nachricht scheint eine Ungereimtheit, ein ins Auge springendes Anzeichen für ein militärisches Wunder, entgangen zu sein: Zwischen den beiden Meldungen liegen nur 36 Minuten.

Demnach ist es dem IS in kürzester Zeit gelungen, nach der Eroberung einer Kleinstadt das 17,5 km entfernt liegende Dorf Sadad anzugreifen und alle Gefallenen auf beiden Seiten zu zählen.

Immerhin deckeln kommerzielle Sender wie n-tv ihre redaktionelle Unbedarftheit noch mit dem ungeschminkten Eingeständnis am Schluss:
„Die in Opposition zur syrischen Regierung von Präsident Baschar al-Assad stehende Beobachtungsstelle hat ihren Sitz in Coventry. Sie sammelt und veröffentlicht Informationen über Menschenrechtsverletzungen in Syrien und stützt sich dabei auf ein Netzwerk von Informanten vor Ort. Von unabhängiger Seite sind die Informationen kaum zu überprüfen.“

Nicht nur fehlt jedoch eine entsprechende Relativierung bei tagesschau.de, sondern dort heißt es nun sogar:
„...die ‚Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte’, die als relativ verlässliche Quelle gilt...."

Über die fehlende Eignung dieser obskuren „Beobachtungsstelle“ als Basis für Tagesschau-Nachrichten haben wir bereits in anderen Programmbeschwerden Argumente vorgebracht. Wir haben auch darauf hingewiesen, dass die „Erkenntnisse“ der „Beobachtungsstelle“ hauptsächlich in so menschenrechtsfreundlichen Despotien wie Kuwait, Katar und Ägypten goutiert werden.

Auch die ARD-Textredaktion (s. ARD-Text vom 01.11.15, 16:06:35 Uhr) weist noch darauf hin, dass die Angaben der Beobachtungsstelle "nicht unabhängig überprüft werden können". Selbst Dr. Gniffke schrieb in Erwiderung unserer Beschwerde vom 06.10.15: „(...) Wir weisen in diesem Zusammenhang daraufhin, dass die Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte von unabhängiger Seite nicht zu überprüfen sind".

Jetzt die überraschende Kehrtwende, auf einmal wird ein obskurer Informant geadelt: „... relativ verlässliche Quelle...."

Abgesehen von der Frage nach den Gründen für diese Gniffke-Volte bei der Einschätzung der Syrischen Beobachtungsstelle stellt sich die Frage:

Wie ist es mit journalistischen Grundsätzen vereinbar, Meldungen zu verbreiten, die objektiv nicht überprüfbar sind?


Mit freundlichen Grüßen

F.Klinkhammer
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Maren
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Re: ARD - Islamischer Staat" rückt weiter vor

Beitrag von Maren »

NDR-Rundfunkrat
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Programmbeschwerde: NDR: "Syrer flüchten vor Assad, nicht vor dem IS"

Nachtrag zum Schreiben vom 1.11.2015


Sehr geehrte Damen und Herren,

in unsereren Beschwerden vom 9.10.2015 und 1.11.2015 hatten wir darauf hingewiesen, dass die von der "Tagesschau" und Frau Merkel (vor über 3 Mio Menschen) im Gespräch mit Frau Will aufgestellte Behauptung, die Mehrheit der syrischen Flüchtlinge fliehe vor Assad und nicht vor dem IS, so nicht belegbar sei und deshalb zu den Agit-Prop-Meldungen gezählt werden müsse. Herr Gniffke und der Herr Intendant sahen das notorisch anders.

Jetzt, nach dem Pariser Massaker durch IS-Terroristen, ist ein totale Kehrtwendung auch bei der Tagesschau zu beobachten. Niemand hat noch Zweifel, dass die syrischen Flüchtlinge wohl vor allem wegen der Gräuel-Taten des IS ihr Land verlassen haben.

Dieses Wendehalsmanöver zeigt nicht nur einen grässlichen Opportunismus bei der Suche nach Schuldigen, es belegt auch, wie leichtfertig und oberflächlich der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Gefahr der mordenden IS-Terroristen marginalisiert und relativiert.

Wir bitten Sie, dieses Schreiben dem laufenden Vorgang zuzuordnen und bei Ihrer Erörterung zu berücksichtigen.


Mit besten Grüßen

F. Klinkhammer und V. Bräutigam
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Maren
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Re: ARD - Islamischer Staat" rückt weiter vor

Beitrag von Maren »

NDR-Rundfunkrat
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Programmbeschwerde: Beitrag auf tagesschau.de vom 01.11.2015

„Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte: Islamischer Staat rückt weiter vor“

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sind mit der Antwort des Intendanten vom 26.11.2015 nur teilweise einverstanden und bitten um Prüfung. Wir regen an, dem Intendanten zu empfehlen, künftig ganz auf die Wiedergabe von Meldungen „der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ zu verzichten.

Der Intendant bestreitet den „unausgesprochenen antirussischen Duktus" des Beitrages.

Selbstverständlich haben wir nichts anderes erwartet. Fakt ist dennoch, dass dieser antirussische Bezug – in raffiniert unausgesprochener Weise – gegeben ist. Der allgemeine transatlantische Vorwurf gegen Russland bestand von Beginn der Militärintervention darin , dass Luftangriffe den IS nicht stoppen würden, dass es deshalb vorrangig darum gehen müsse, Präsident Assad auszuschalten. Andere Medien haben den Zusammenhang zwischen russischen Luftangriffen und die angebliche Erfolglosigkeit unmissverständlicher benannt. „Luftangriffe in Syrien ohne jegliche Wirkung?“, „Trotz russischer Luftangriffe sollen die Extremisten nun auch Mahin eingenommen haben.“ (m.w.N. im Internet). Der Intendant sagt, er sehe keinen antirussischen Bezug, das ändert aber nichts daran, dass er Unrecht hat. Das Wesen der Propaganda besteht darin, dass sie vernebelt, verzerrt und die Möglichkeit offen lässt, sie zu bestreiten.

Wir sehen nicht, dass sich ARD-aktuell auf zwei Quellen berufen hat. Es war lediglich die obskure „syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ in Großbritannien, geleitet von ihrem einzigen Mitarbeiter, dem syrischen Oppositionellen Osman Sleimann. Bei genauerer Prüfung der dort am 1.11. verfügbaren Meldungen hätte man leicht die Widersprüchlichkeit der Angaben feststellen und sie als Falschmeldung kategorisieren können. Die Prüfung unterblieb aber, weil ARD-aktuell hieran kein Interesse fand. Zu viele andere westliche Medien hatten sich bereits mit der Meldung zur üblichen westlichen Medien- Kampagne eingefunden. ARD-aktuell wollte da nicht außen vor bleiben

Erstaunlich an der Stellungnahme des Intendanten ist immerhin, dass wegen der Einschätzung der „Beobachtungsstelle“ ein Fehler eingeräumt wurde.

Der Intendant weist weiter darauf hin, dass eigene und unabhängige Korrespondenten-Berichte über die Situation in Kriegs- und Krisengebieten häufig wegen der Sicherheitslage nicht möglich seien. Deshalb bleibe Nachrichtenredaktionen wie ARD-aktuell in solchen Fällen häufig nur die Möglichkeit, auf Informationen von Dritten zurückzugreifen. Im Klartext heißt das: Wir senden lieber Falschmeldungen als gar keine, Hauptsache, sie passen in den vorherrschenden Mainstream und die eigenen Vorurteile. Die Wahrheit ist Nebensache.

Mit freundlichen Grüßen

F.Klinkhammer, V. Bräutigam
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Maren
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Re: ARD - Islamischer Staat" rückt weiter vor

Beitrag von Maren »

NDR-Rundfunkrat
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Programmbeschwerde: NDR: "Syrer flüchten vor Assad, nicht vor dem IS"

Nachtrag zum Schreiben vom 1.11.2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Intendant teilt im Schreiben vom 26.11.15 (allerletzter Absatz) mit, dass wir in unserem Nachtrag vom 16.11.15 kritisieren, dass "Tagesschau" eine „totale Kehrtwende" bezüglich der Frage vollziehe, warum die syrischen Flüchtlinge ihr Land verlassen hätten: Habe die „Tagesschau" zuvor immer behauptet, die Mehrheit der syrischen Flüchtlinge fliehe vor Assad und nicht vor dem IS, so habe nach den Anschlägen von Paris niemand noch Zweifel, dass die syrischen Flüchtlinge wohl vor allem wegen der Gräuel-Taten des IS ihr Land verließen. Der Intendant teilt unsere Sichtweise nicht, denn für unsere Behauptung gebe es keine Belege.

Wir merken an:

In der Diskussion um die umstrittene „Adopt A Revolution“ Studie war die Tagesschau kräftig und medial unterstützend engagiert. Es sollte der Beweis geführt werden, dass der überwiegende Teil der syrischen Flüchtlinge vor Assad und nicht dem Islamistischen Staat geflohen sei. Insoweit verweisen wir auf die entsprechenden TS-Berichte. Die von der Tagesschau gestützte PR-Studie stand in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Gespräch, das Frau Merkel mit Frau Will führte. Die Kanzlerin übernahm (erwartungsgemäß) ebenfalls die These von der Assad-Verursachung der Flüchtlingsbewegung, Nach dem Pariser Attentat focussierte sich die Berichterstattung dann darauf, dass der IS verantwortlich für die Fluchtbewegung sei, mit dem Ergebnis, dass nun Deutschland und Frankreich gegen den IS Krieg führen wollen. Von Assad zum IS, das nennen wir eine Kehrtwende in der Berichterstattung.

Wenn Sie unsere persönliche Meinung hören wollen:

Das Embargo der EU und der USA gegen das Entwicklungsland Syrien war eine unmenschliche Form der Kriegsführung. Sie richtete sich gegen die Zivilbevölkerung. Mehr als eine Millionen Menschen, darunter über 500.000 Kinder mussten bereits in den 90er Jahren infolge des Embargos gegen den Irak sterben. Das wollte man in Syrien noch übertreffen. Das Embargo gegen Syrien hat wie ein Brandbeschleuniger gewirkt Es heizte die blutigen Kämpfe im Land an. 250.000 Tote, fast eine Million Verletzte und Verstümmelte, über zehn Millionen Menschen auf der Flucht. Der Mix aus westlichen Werten, Bürgerkrieg und islamistischen Halsabschneidern. Wir jedenfalls wissen, was wir von einer konformistischen Unterstützung solcher Politik seitens ARD-aktuell zu halten haben.

Wir fordern deshalb, den Rundfunkrat mit unserer Beschwerde zu befassen.

Mit höflichen Grüßen

F.Klinkhammer, V. Bräutigam
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Re: ARD - Islamischer Staat" rückt weiter vor

Beitrag von Maren »

Sehr geehrter Herr Klinkhammer,
sehr geehrter Herr Bräutigam,

Sie kritisieren den tagesschau.de-Beitrag "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte: "Islamischer Staat" rückt weiter vor“. Zugleich werfen Sie uns eine Kehrtwende in der Berichterstattung nach den Anschlägen von Paris vor.
Wir haben die Redaktion gebeten, dazu Stellung zu nehmen. Die Antwort legen wir Ihnen bei.
Flucht vor IS nicht vor Assad.pdf
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Mit freundlichen Grüßen

Lutz Marmor

ARD-Vorsitzender
Intendant des Norddeutschen Rundfunks
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