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ARD - Tagesthemen bei Atlantik-Brücke

Verfasst: 17. September 2015, 21:20
von Maren
Norddeutscher Rundfunk
Chief Executive Officer ARD
Herrn Marmor
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg



Beschwerde

Sehr geehrter Herr Marmor,

am 11. September 2015 fand eine Deutsch-Amerikanische Konferenz unter Federführung der US-amerikanischen Lobbyorganisation Atlantik-Brücke in Berlin statt.

Im Verlauf der Veranstaltung wurde insbesondere die Notwendigkeit der engen Zusammenarbeit über den Atlantik hinweg betont. Europa und insbesondere Deutschland müssten in der neuen Ära der transatlantischen Partnerschaft bereit sein, mehr Verantwortung zu übernehmen - was immer das auch heißen mag.

Thematisiert wurden die wirtschaftliche Dimensionen transatlantischer Zusammenarbeit und die Bedeutung des geplanten transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP, sowie Chancen des Abkommens, als auch die Bedenken der TTIP-Kritiker.

Im Panel zur Außen- und Sicherheitspolitik ging es um die Bedeutung Russlands außenpolitischer Ambitionen für den Westen. Am Nachmittag stand das 25-jährige Jubiläum des Zwei-Plus-Vier-Vertrages im Mittelpunkt.

Die abschließende Podiumsdiskussion wurde moderiert von Thomas Roth, Anchorman „Tagesthemen”, ARD German Television.

Im Rahmen des gesetzlichen Programmauftrages haben öffentlich rechtliche Rundfunkanstalten ein Neutralitätsgebot (unparteiisch, unabhängig, nicht an einem Konflikt teilnehmend, nicht einseitig festgelegt) zu wahren, um nicht in den Verdacht zu geraten, einseitig für geopolitische Interessenlagen zu werben oder diese durch öffentlich wahrnehmbare Präsenz zu fördern.

Mitarbeiter öffentlich rechtlicher Rundfunkanstalten haben eine besondere Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit, die sie finanziert. Auch honorige Mitarbeiter sollten dafür Sorge tragen, dass durch ihr Auftreten, Handeln und Verhalten Status und Auftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalt nicht beschädig wird. Glaubwürdigkeit, Integrität und Unabhängigkeit sollten Leitwerte der Unternehmenskultur sein, denen insbesondere Mitarbeiter mit hohem Bekanntheitsgrad - auch außerhalb der Anstalten - verpflichtet sind.

Interessenkollissionen sehen wir anlässlich des Engagements von Thomas Roth insofern, dass der Publikumsanspruch an eine hohe Glaubwürdigkeit, Integrität und Objektivität des Moderators einer der wichtigsten Nachrichtensendung des deutschen Rundfunks aus dem gesetzlichen Auftrag erwächst.

Auch wenn es sich „nur“ um die Moderation einer Diskussionsrunde innerhalb einer Veranstaltung der Atlantik- Brücke handelt, ist bei Thomas Roth eine interessengeleitete Positionierung schon auf Grund der Tatsache zu erkennen, dass er von der Atlantik-Brücke angefragt wurde und er nicht abgelehnt hat. Insofern muss ihm die Erfüllung dieses Auftrages entweder eine Ehre oder ein Bedürfnis gewesen sein. Dass er für seine Präsenz und seine Moderationstätigkeit honoriert wurde, möchten wir nicht annehmen.

Die Mitwirkung einer Schlüsselfigur der öffentlich-rechtlichen Nachrichtengebung der ARD in einer Organisation, in der wenige wichtige deutsche und US-amerikanische Personen aus Politik, Wirtschaft und Militär in diskretem Ambiente den Austausch von Informationen und Interessen pflegen, die sich nachweislich jenseits von Völkerverständigung im philanthropischem Sinne bewegen, halten wir für höchst problematisch.
Die USA wird von 200 Familien regiert und zu denen wollen wir gute Kontakte haben.
Arend Oetker, ehemaliger Vorstand Atlantik-Brücke
So verleiht die Organisation Atlantik-Brücke noch immer ganz offiziell den Vernon Walters Award - gewidmet einem CIA-Mann, der in diverse Staatsstreiche wie im Iran (1954), in Brasilien (1964) und in Chile (1973) involviert war und der in den 60er Jahren aktiv Subversion gegen Gewerkschaften in Italien betrieben hatte. Die Liste der Unerfreulichkeiten ließe sich fortsetzen.

Eine kritische Distanz ist angesichts der Geschichte und der Ziele der Organisation nicht nur anzuraten, sondern sollte verpflichtender Kodex für Mitarbeiter öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten sein. Thomas Roth verdankt sein Ansehen und seinen Bekanntheitsgrad den Beitragszahlenden, die ihn finanzieren und durch die Rezeption der Tagesthemen ihr Vertrauen schenken.

Angesichts der offenen Unterstützung der Atlantik-Brücke durch Thomas Roth wäre eine kritische Behandlung der originären Themen, welche diese Organisation regelmäßig erörtert, innerhalb der Tagesthemen nicht mehr glaubhaft zu vermitteln, wenn sie denn überhaupt stattfände.

Wir fordern Sie, als derzeitigen Chief Executive Officer der ARD auf, Ihre MitarbeiterInnen dahingehend zu orientieren, dass diese sich künftig im Interesse ihrer journalistischen Unabhängigkeit, Integrität und Glaubwürdigkeit an klar definierte Kodizes halten und den Verlockungen einflussreicher Verbindungen von Finanzwelt, Großindustrie, Militärs und Politik widerstehen.

Zum Zwecke der Transparenz werden diese Beschwerde sowie die entsprechende Antwort darauf auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlicht.


Mit freundlichen Grüßen


i. A. Maren Müller
Vorsitzende

Re: ARD - Tagesthemen bei Atlantik-Brücke

Verfasst: 16. Oktober 2015, 14:13
von Maren
Antwort vom amtierenden Chief Executive Officer der ARD, Herrn Marmor. Es liegen offensichtlich Weltanschauungen zwischen Beschwerde und Antwort, die nicht so ohne weiteres miteinander zu vereinbaren sind.

Gleichwohl ist diese Beschwerde keine Programmbeschwerde, die weiterverfolgt werden müsste, sondern ein grundsätzliches Statement zur festgestellten Verquickung öffentlich-rechtlicher Beschäftigung mit offensichtlichem Lobbyismus.

Die Angelegenheit ist damit vorläufig abgeschlossen.