Replik auf den Beitrag von Ingo Zamperoni zu CETA

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Maren
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Replik auf den Beitrag von Ingo Zamperoni zu CETA

Beitrag von Maren »

Sehr geehrter Herr Zamperoni,

Eine Replik auf Ihren Beitrag zu CETA (24.10.2016)1).

Die Berichterstattung in der ARD zu den Freihandelsabkommen ist m. E. tendenziös und abwertend, wie beispielsweise am 25.10.2016 (Cave: Atlantik-Brücke). Kritische Stimmen – egal ob es sich dabei um Journalisten wie z.B. Petra Pinzler oder Thilo Bode von Foodwatch oder die Verlautbarungen von NGOs handelt – werden diffamiert oder populistisch abgewertet. Hätten sie nicht informiert, wäre Europa in einem sehr gefährlichen, schwer kündbaren Vertrag gelandet.

Ein ähnliches Bild zeigte sich in der Bundestagsdebatte vom 20.10.2016. Ein Teil der Befürworter von Ceta drischt unsinnige Phrasen, die allein die Ahnungslosigkeit in Bezug auf die Vertragsinhalte und deren Konsequenzen demonstrieren. Andere kennen diese sehr wohl, dreschen aber in der oben kritisierten Art und Weise los. Auch die Rede vom Ende der Glaubwürdigkeit der EU dient diesem Zweck. Durch ständige Wiederholungen wird das Gesagte aber nicht wahrer. Wahr ist, dass versucht wird, den Vertrag möglichst schnell zu ratifizieren, bevor den Menschen klar wird, was das konkret für sie bedeutet. Dabei besteht keine Notwendigkeit zur Eile.

Vom Bundeswirtschaftsminister kommen dagegen ganz gezielte Halbwahrheiten. Nach der Rechtsprechung des EuGH meinte er, durch die Joint Interpretative Declaration sei alles geregelt. Diese ist jedoch 1. nur eine Erläuterung des Vertrags und 2. keine rechtsverbindliche Änderung. Die Wahrheit ist: Ja, wir können unsere Angelegenheiten selber regulieren – ABER wir müssen bei einer Klage um erwartete Gewinne trotzdem zahlen. Ja, wir können privatisierte Institutionen wieder in die öffentliche Hand übernehmen – ABER auch hier müssen die Steuerzahler wieder den Schadenersatz zahlen (Quelle: CETA Citizen Summit, Brüssel vom 20.10.2016).

Die Regionalparlamente Wallonie und auch Brüssel haben deshalb nicht zugestimmt, weil sie die Ergebnisse der Nachverhandlungen von Kanada und der EU als nicht ausreichend erachtet haben. Die Kritikpunkte, um die es jetzt geht, sind seit vielen Jahren bekannt. Handelsministerin Chrystia Freeland und Handelskommissarin Cecilia Malmström hatten ausreichend Zeit, den Vertrag dahingehend zu revidieren. Allein die Vertragsinhalte zu den Schiedsgerichtshöfen sind nach wie vor inakzeptabel. Deswegen ist es richtig, dass die beiden Regionen CETA Ratifikation stoppen. Es sollten also nicht sie beschimpft werden, sondern diejenigen, die einen illegitimen Vertrag verhandelt haben!

Wenn die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Jurist*Innen, der Deutsche Richterbund, der Europäische Richterbund, 101 Juraprofessoren aus 28 EU Mitgliedsländern, und mehrere renommierte Völker- und Verfassungsrechtler, diese Schiedsgerichtshöfe kritisieren und Klage und beim EuGH einreichen, verwundert dies nicht. Am 21.10.2016 hat auch ein renommierter Rechtsanwalt in Kanada bei deren Bundesverfassungsgericht eine Klage eingereicht. Auf beiden Seiten des Atlantiks wurden Einwände von Gewerkschaften, Kirchen, Kulturschaffenden, Wissenschaft, Kleiner und mittlerer Unternehmen, Landwirtschaft, sowie NGOs (z. B. Umwelt- und Naturschutzverbände) beschwichtigt oder schlicht ignoriert.

Die EU Kommission zeigt einmal mehr, dass sie eine neoliberale Politik verfolgt und Konzerninteressen höher bewertet, als die Interessen der Bevölkerung (s. CETA, TTIP, TiSA & Co). Und es ist der Ausdruck des Politikstils von Catherine Day, die als EU Generalsekretärin das Primat der Ökonomie mit harter Hand in der Kommission durchgesetzt hat.
Jede Politikmaßnahme wurde auf die Auswirkungen auf den „freien“ Handel abgeklopft und modifiziert, keine Entscheidung ohne ihr Placet getroffen. Ihr Nachfolger, Alexander Italianer, war zuletzt Generaldirektor für Wettbewerb, und wird das sicher in ihrem Sinne weiterführen.

Wir brauchen dringend eine andere EU Kommission, aber auch einen anderen Europäischen bzw. Ministerrat. Diese müssen den Menschen in der EU dienen (EU Vertrag, Art. 2, Art. 3.3). Sozial- und Umweltpolitik sind genauso wichtig wie Wirtschaftspolitik. Als engagierte Genossin und Aktivistin gegen die „Frei“handelsabkommen möchte ich anmerken, dass es sich bei der Zivilgesellschaft und den NGOs um keine pauschale Ablehnung von CETA handelt. Ich glaube, niemand hat etwas gegen Handelsvereinbarungen. Aber das wissen Sie sicher selbst sehr gut.

Die Menschen haben aber etwas gegen die neoliberalen Freihandelsabkommen der neuen Art. Denn CETA, TTIP, TiSA & Co. haben eben nicht den vorgeblichen Zweck, Zölle zu minimieren und technische Standards festzuschreiben. Sie haben vor allem das Ziel, Liberalisierung zu forcieren und nicht-tarifäre Handelshemmnisse auszuschließen. Und damit multi-nationalen Konzernen zu erlauben, ihre Gewinne ohne irgendwelche staatlichen Eingriffe (Daseinsvorsorge, Umweltgesetze, Arbeitsschutz, Bildung, Gesundheit, Vorsorgeprinzip, etc.) zu maximieren.

Dies wird definitiv nicht zu Wachstum und Beschäftigung, sondern u.a. zu Konkurrenzdruck, Lohndumping und schlechterer Versorgungsqualität führen. NAFTA hat uns schließlich gezeigt, was dabei herausgekommen ist. Kanada musste mehrere Hundert Millionen Dollar and die USA zahlen, von den schrecklichen Auswirkungen auf Mexicos Wirtschaft ganz zu schweigen. Und die Menschen aus Afrika kommen auch aus Gründen der Armut, weil deren regionale Landwirtschaft durch die Europäische Handelspolitik am Boden liegt.

Prof. Gabriel Felbermayr sagte bei einem Vortrag: Die Berechnungen des Wachstums durch TTIP basierten auf Vollbeschäftigung (sic) und es gäbe immer Gewinner UND Verlierer. Dazu so viel: wenn die EU z.B. Hähnchenabfälle nach Ghana schickt, oder Milchpulver nach Kenia, dann ist sie der Gewinner. Wenn sie keine Einfuhrzölle zahlen will und droht, Subventionen zu streichen, dann ist das schlicht Erpressung! Die Landwirtschaft der Länder ist nicht mehr konkurrenzfähig und wird aufgegeben. Es gibt kein Einkommen für die Familien, Hunger und Elend – Verlierer eben.

Was wir wollen ist ein fairer, sozialer und ökologischer Welthandel.
Schauen Sie doch mal bei www.muenster-gegen-ttip vorbei!

Ihnen eine gute Woche wünschend,

Heike Strunk, M.N. (Univ.Glasgow)
Pflegewissenschaftlerin
Havixbecker Str. 59
48161 Münster
02534-7597
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