ARD - Schleichwerbung in den Tagesthemen

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Maren
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ARD - Schleichwerbung in den Tagesthemen

Beitrag von Maren »

Westdeutscher Rundfunk Köln
Intendanz
Herrn Buhrow
Appellhofplatz 1
50667 Köln


Programmbeschwerde - Buchwerbung in den Tagesthemen


Sehr geehrter Herr Buhrow,

innerhalb der Tagesthemen vom 24.02.2015, 22:15 Uhr, wurde ein Fall von Schleichwerbung angezeigt, der für eine Nachrichtensendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als höchst unangemessen angesehen werden kann.

Innerhalb des Beitrages zum NSU Untersuchungsausschuss Hessen wurde während eines Kurzinterviews mit dem Herausgeber der Tageszeitung Die Welt, Stefan Aust, dessen jüngstes Buch „Heimatschutz: Der Staat und die Mordserie des NSU“ von zunächst schemenhaft klein bis zu gestochen scharf auf ca. ¼ des Bildschirmes projiziert.

Beginn der 15-sekündigen optisch herausgestellten Buchwerbung ab Minute 13:51:
https://publikumskonferenz.de/wiki/wiki ... ichwerbung

Das Buch (zum Preis von 22,99 €) des ehemaligen "Spiegel"-Chefs, der bereits das vielbeachtete Werk "Der Baader-Meinhof-Komplex" verfasste, wurde innerhalb der letzten Monate ausgiebig in den Medien (auch in den öffentlich-rechtlichen) beworben.

Weder während des Berichtes, noch während der Einblendung wurde in irgendeiner Weise auf das Buch und dessen Platzierung hingewiesen.

Es verbietet sich bereits der Versuch, innerhalb einer Nachrichtensendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mittels Schleichwerbung dem Absatz eines Werkes nachzuhelfen, selbst wenn es sich um ein publizistisch wertvolles handeln sollte.

Zum Zwecke der Transparenz haben wir diese Programmbeschwerde auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlicht.


Mit freundlichen Grüßen


i. A. Maren Müller
Vorsitzende
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Maren
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Re: ARD - Schleichwerbung in den Tagesthemen

Beitrag von Maren »

Antwort vom Hessischen Rundfunk auf den Vorwurf der Schleichwerbung in den Tagesthemen.
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Schleichwerbung.pdf
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Maren
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Re: ARD - Schleichwerbung in den Tagesthemen

Beitrag von Maren »

Hessischer Rundfunk
Intendanz
Herrn Reitze
Bertramstraße 8
60320 Frankfurt am Main


Programmbeschwerde - Buchwerbung in den Tagesthemen – Ihr Schreiben vom 20.05.2015

Sehr geehrter Herr Reitze,

vielen Dank für Ihre Antwort auf unsere Programmbeschwerde vom 25.04.2015, die sich mit einem Fall von Schleichwerbung innerhalb der Tagesthemen vom 24.02.2015 (22:15 Uhr) befasste.

Leider können wir Ihre Argumentation nicht teilen.

Das Buch des Herausgebers der Tageszeitung DIE WELT, Stefan Aust, wurde innerhalb des Beitrages nicht nur „kurz gezeigt“, wie Sie ausführen, sondern es wurde inszeniert, wie man das unschwer und sehr anschaulich nachverfolgen kann.

Unserer Beurteilung nach liegt, bei der mehr als unüblichen Produktinszenierung innerhalb einer Nachrichtensendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ein Verstoß gegen § 7 Abs. 7 Nr. 3 Rundfunkstaatsvertrag vor:
"Das Produkt darf nicht zu stark herausgestellt werden."
Auch Ihre Einschätzung, wonach nichts für eine Nachhilfe zum Absatz des Buches spräche, ist nicht nachvollziehbar, da PR für Bücher in jedem Falle absatzfördernd wirkt.

Hätte das Thema "Buch über den NSU" gelautet, wäre eine Einblendung in einem entsprechenden TV-Magazin wohl unproblematisch gewesen. Vorliegend jedoch sollte über einen im Februar 2015 neu bekannt gewordenen Aspekt des NSU berichtet werden, der in Austs Buch - erschienen im Mai 2014 - nicht vorkommen konnte.

Es bestehen starke Zweifel, dass eine derart plakative Präsentation redaktionell gerechtfertigt war, da die Kompetenz des prominenten Journalisten Aust weder für den Gesamtbeitrag erforderlich war, noch durch die Abbildung des Produktes wesentlich gesteigert wurde.

Gegen eine redaktionelle Notwendigkeit der Produktinszenierung sprechen folgende Aspekte:

1. Der Kommentar des Herrn Aust war überflüssig. Dessen Beitrag beschränkt sich auf einen einzigen Satz, was in keinem Verhältnis zur stilistisch aufwändig inszenierten Anmoderation steht. Die Vermutung, dass aus Akten eine Menge hervorgehen werde, falls solche noch da seien, ist eine Banalität ohne journalistischen Mehrwert, die auch der Off-Kommentator hätte referieren können. Im Beitrag kamen ohnehin zahlreiche Akteure zu Wort, sodass ein weiteres Gesicht eines nicht involvierten Journalisten dramaturgisch nicht notwendig war.

2. Die Einblendung des eigens drapierten Produkts war zur Illustration des ohnehin bildreichen Beitrags überflüssig. Die Nennung des Buchthemas wäre zur Vorstellung des ohnehin prominenten Autors ausreichend gewesen.
Der einstige SPIEGEL-Chefredakteur und nun WELT-Herausgeber bedarf keiner Belege wie ein Buchcover. Der Untertitel "Publizist", den die Redaktion für kompetent hält, hätte völlig ausgereicht.

3. Es hat ein gewisses Geschmäckle, dass Herr Aust langjährige Kontakte zur Nachrichtenredaktion des NDR pflegt, der bekanntermaßen die Tagesthemen produziert. So hat Aust 14 Jahre für Panorama und damit für die Nachrichtenredaktion gearbeitet. Daher drängt sich der Verdacht auf, dass Aust hier eine Gefälligkeit erwiesen wurde. Es ist naheliegend, dass sich die ebenfalls inszenierte junge Journalistin mit einer Art Selfie mit dem prominenten Journalisten Aust schmücken wollte. Mit den anderen Interviewpartnern ist sie nicht zu sehen.

4. Aust wurde in seiner Zeit als SPIEGEL-Chefredakteur die Verquickung privater und publizistischer Interessen vorgeworfen. Daher sähe ihm ein Deal, der die Herausstellung seines Buches als Gegenleistung zu Informationen, Kontaktpflege oder Nähe etc. ähnlich. Demgegenüber liegt es fern, dass Aust das 1,6 kg wiegende, mit 866 Seiten sperrige Buch rein zufällig dabei hatte. Aust nutzte den Termin offensichtlich zu Werbezwecken, und das hätte sowohl dem NDR als auch dem HR als verantwortlicher Redaktion aufgehen müssen.

Da wir davon ausgehen, dass Sie - wie üblicherweise auch die Programmverantwortlichen der übrigen Rundfunkanstalten innerhalb der ARD-Familie - begründete Programmbeschwerden lapidar und ohne eingehende Befassung abbügeln, werden wir in diesem besonderen Fall weitere Schritte unternehmen.

Die Einschaltung der Wettbewerbszentrale, als bundesweit und grenzüberschreitend tätige Selbstkontrollinstitution zur Durchsetzung des Rechts gegen unlauteren Wettbewerb, sowie die Unterrichtung des Presserates zur Beurteilung der unterstellten gegenseitigen Vorteilsnahme wird hiermit angekündigt.

Dieses Schreiben wird ungeachtet dessen und unter Beachtung der Wahrung von Fristen an die Rundfunkräte des HR zur Befassung weitergeleitet.

Zum Zwecke der Transparenz werden dieses Antwortschreiben sowie weiterführender Schriftverkehr auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlicht.

Mit freundlichen Grüßen


i. A. Maren Müller
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Re: ARD - Schleichwerbung in den Tagesthemen

Beitrag von Maren »

Zwischenbescheid aus der GS des HR-Rundfunkrates.
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Maren
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Re: ARD - Schleichwerbung in den Tagesthemen

Beitrag von Maren »

ZAK-Pressemitteilung 05/2015; Zulassungen und Beanstandungen - Notiz wegen Trennungsgebot von Programm und Werbung
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Maren
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Re: ARD - Schleichwerbung in den Tagesthemen

Beitrag von Maren »

Der Programmausschuss Fernsehen des Rundfunkrates hat beraten und ist einhellig zu der Auffassung gekommen, dass er den Vorwurf der Schleichwerbung nicht teilt.
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