Verein Neue deutsche Medienmacher - 05.11.2014

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Maren
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Verein Neue deutsche Medienmacher - 05.11.2014

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Frau Müller,

die Neuen Deutschen Medienmacher sind ein bundesweites Netzwerk von Journalisten und Journalistinnen, wir setzen uns für mehr Vielfalt in den Medien ein und haben unseren Hauptsitz in Berlin. Vierteljährig veranstalten wir eine Podiumsdiskussion und diesmal würde mich Ihre Stellungnahme zum Thema interessieren:
Bei der geplanten Podiumsdiskussion geht es um das Thema „Was heißt ausgewogene Berichterstattung beim Nahostkonflikt?“ Ausgangspunkt ist der Vorwurf von allen Seiten, dass Medien im Konflikt einseitig berichten. Mechanismen, die bei anderen Konflikten eher funktionieren, sind in diesem Fall schlecht zu übertragen. Man kann nur bedingt beide Seiten zu Wort kommen lassen. Denn damit würde man die Hamas als gleichwertigen Gesprächspartner akzeptieren. Auch bei ganz nüchternen Nachrichten steht man vor Problemen: Was benennt man als Auslöser für die Eskalation? Wie geht man mit persönlicher Betroffenheit um (deutsche Geschichte und bei manchen Journalisten auch der muslimische Migrationshintergrund).
Wenn Sie dazu eine Meinung beziehen möchten, würde ich Sie gerne anrufen, oder aber Sie antworten mir per Mail.

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Sehr geehrte Frau ...,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Es kommt (für mich) darauf an, welche Art Journalismus von den neuen Medienmachern präferiert wird. Interpretativer Journalismus, Boulevardjournalismus, Investigativer Journalismus, Informationsjournalismus.
Grundlagen für die journalistische Arbeit sind (für mich) hinreichend im Pressekodex des Deutschen Presserates festgeschrieben. Mich persönlich wundert, dass so oft gegen einfachste Regeln verstoßen wird.
Journalismus schreibt weder Personen noch Bevölkerungsgruppen Charakteristika zu, noch wertet er - je nach individueller Präferenz der VerfasserInnen - auf bzw. ab (bspw. durch Nutzung von Dysphemismen), er verteilt keine Rollen und arbeitet nicht mit billigen Klischees oder personalisiert Konflikte auf alberne Weise (Putin).

Journalismus dokumentiert ergebnisoffen Realität, sachlich, unaufgeregt, untendenziös. Journalismus bspw., der in seinem Handbuch die Formel "Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika." festschreibt, hat eine ausgewogene Berichterstattung schon von vorn herein ausgeschlossen. siehe: https://www.axelspringer.de/artikel/Gru ... 40218.html

Mich interessieren innerhalb der Berichterstattung zu internationalen Konflikten (Ukraine, Nahost) weder die persönliche Meinung noch die politische Einstellung der JournalistInnen. Ich will zu meiner eigenen Meinungsbildung Fakten und relevante Hintergründe lesen/hören/sehen, ohne mit persönlichen Wertungen diverser Chefideologen der Medienhäuser belästigt zu werden.

"Man kann nur bedingt beide Seiten zu Wort kommen lassen. Denn damit würde man die Hamas als gleichwertigen Gesprächspartner akzeptieren."

Warum sollte die Hamas nicht als gleichwertiger Gesprächspartner akzeptiert werden? Die Hamas hat eine politische AGENDA und hat sich nicht ohne Grund gebildet. Der NATO-Partner Türkei bspw. (Erdoğan) bezeichnete die Hamas als Freiheitskämpfer, die ihr Land verteidigen würden. Der Grund für die Gründung der Hamas ist hinlänglich in historischen Dokumenten beschrieben - diese Informationen kann/sollte man als JournalistIn nutzen. Journalisten müssen in der Lage sein, unabhängig über Konflikte zu berichten ohne sich die politische AGENDA einzelner Konfliktparteien zu eigen zu machen.

"Was benennt man als Auslöser für die Eskalation?"

Den tatsächlichen Auslöser und nicht die Mutmaßung darüber oder ein gewünschtes ideologisch passendes Konstrukt. (Fakten plus Hintergrund, Zusammenhang, Analyse) Vielleicht gründliche Recherche zu Vorwürfen wie diesen? "On 2 June 1948, Sir John Troutbeck wrote to the foreign secretary, Ernest Bevin, that the Americans were responsible for the creation of a gangster state headed by "an utterly unscrupulous set of leaders."

"Wie geht man mit persönlicher Betroffenheit um (deutsche Geschichte und bei manchen Journalisten auch der muslimische Migrationshintergrund)."

Ich bin durch meine politische Arbeit mit einer Strömung innerhalb der politischen Linken vertraut, die sich "Antideutsche" nennt. Die Bewegung wird getrieben von der Erinnerung an den Holocaust und die Verantwortung der Deutschen für diese Gräuel. Die bedingungslose Solidarität mit Israel (als minimalste Form der Wiedergutmachung) verwandelt jegliche Kritik am israelischen Staat nach der Lesart der Antideutschen in Antisemitismus. Die antideutsche Ideologie soll nach Aussage von Insidern die vollendete Form des Antifaschismus darstellen.
Jemand mit einer solchen Grundeinstellung sollte meiner Meinung nach möglichst nicht Nah-Ost-JournalistIn werden.

Die Berichterstattung über islamische Lebenswelten in den deutschen Medien sehe ich persönlich als defizitär an. Zu oft wird der Islam mit Terrorismus und Unterdrückung assoziiert, soziale und kulturelle Aspekte werden nicht ausreichend beleuchtet - ein klares Indiz für Manipulation der Rezipienten. JournalistInnen mit muslimischen Hintergrund werden (meiner subjektiven Meinung nach) mitunter in den Talkrunden der öffentlich-rechtlichen als IslamexpertInnen herangezogen, obwohl sie eindeutig deutsch sozialisiert sind. Als Verdacht- bzw. ProblemträgerInnen scheiden sie in den Augen der deutschen Gesellschaft meiner Meinung nach trotzdem nicht aus.
Das gleiche gilt für Angehörige anderer "klischeebehafteter" Bevölkerungsgruppen - siehe unsere Programmbeschwerde.
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