sehr geehrte Mitglieder des Rundfunkrates,
Programmbeschwerde
Sendung: Hart aber fair
Sendetag: Montag, 18.09.2017, 21.30 Uhr und andere
Verantwortlicher Redakteuer Markus Zeidler, Moderation Frank Plasberg
Grund: Verstoss gegen die Meinungsfreiheit und überproportionale Berücksichtigung von Vertretern einer rechten Minderheitenpartei
Hiermit gebe ich Ihnen Kenntnis von meiner bisher unbeantworteten e-Mail an die Redaktion. Den Text habe ich für diese Beschwerde überarbeitet, ist aber in seiner Tendenz unverändert.
Gesendet: Freitag, 15. September 2017 um 16:03 Uhr
An: hart-aber-fair@wdr.de
Betreff: Kritik
Sehr geehrter Herr Zeidler,
sehr geehrter Herr Plasberg,
unter dem Nickname "opa gerd" habe ich vor der letzten Sendung zwei Mal versucht, diese Statistik ins Gästebuch zu setzen:
1. AfD-Politiker in Radio und Fernsehen (Stand: 6.9.)
Alice Weidel
Interview bei „Vis à vis“ (Inforadio RBB) 21.7.2017 (Link erloschen)
„Interview der Woche“ (SWR2) 5.8.2017
Interview im „Wahltaxi“ (RTL2) 8.8.2017
„Interview der Woche“ (DLF) 11.8.2017
„Anne Will“, Talkshow (Das Erste) 20.8.2017
Interview „Morgenmagazin“, 28.8.2017, ZDF
Wahlrunde „Die zehn wichtigsten Fragen der Deutschen“ (Sat.1) 30.8.2017 (Link erloschen)
Interview „Unter den Linden Spezial“ (Phoenix) 4.9.2017
Wahlrunde „Wie geht’s Deutschland“ (ZDF) 5.9.2017 (selbst abgebrochen)
Alexander Gauland
„Sommerinterview“ (RBB) 23.7.2017
„Stars befragen Spitzenpolitiker“ (BamS), 13.8.2017
Interview bei „Deutschland wählt!“ (Deutschen Welle) 17.8.2017
„Überzeugt uns! Der Politikercheck“ (ARD), 21.8.2017
Interview bei „Fahrbereitschaft“ (rbb) 23.8.2017
„hart aber fair“, Bürgercheck (Das Erste) 28.8.2017
Frauke Petry
Interview bei „Frag selbst“ (ARD) 13.8.2017
Interview im „Morgenmagazin“ (ARD) 21.8.2017
Beatrix von Storch
„Sommerinterview“ (RBB) 6.8.2017
Björn Höcke
„Sommerinterview“ (MDR) 23.7.2017
Jörg Meuthen
„Sommerinterview“ (SWR) 27.7.2017
Markus Frohnmaier, Junge Alternative für Deutschland
Protagonist bei „Volksvertreter“ (ZDF neo) 27.7.2017
Georg Pazderski, Landesvorsitzender Berlin
„Sommerinterview“ (RBB) 14.8.2017
Uwe Junge, Landesvorsitzender Rheinland-Pfalz
„Sommerinterview“ (Sat.1) 28.6.2017
„Sommerinterview“ (SWR) 21.7.2017
Stephan Brandner, Spitzenkandidat Thüringen
Wahl-Interview (MDR Kultur) 19.8.2017
Waldemar Birkle, Direktkandidat Kreisverband Pforzheim
Interview bei „Dunya Hayali“ (ZDF) 9.8.2017
Mit einer Ausnahme handelten hier öffentlich-rechliche Fernsehanstalten. Meine beiden Kommentare wurden jeweils ohne Begründung nicht veröffentlicht. Der Grund meines Postings waren einige Kommentare im Forum, in denen die Anwesenheit eines Vertreters der AfD von anderen Usern vermisst wurde.
2. Zur Meinungsfreiheit in öffentlichen Foren:
In der Netiquette für Kommentare schreiben Sie (der WDR) unter anderem: "Bei Links zu externen Webseiten behalten wir uns vor, verlinkte Inhalte zu überprüfen und gegebenenfalls die URL oder den gesamten Kommentar zu entfernen." Der von mir gesetzte Link war überprüfbar und authentisch.
Die privaten Medien, die ohnehin ihren "Informationsauftrag" nur im Rahmen des Profitziels mehr oder minder erfüllen, stehen in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Publikum. Wenn sie Leser verärgern, können die mit Kauf- und Klickverweigerung reagieren, wobei sich diese Verärgerung über das Internet auch dann kommunizieren lässt, wenn sie ihre eigenen Kommentarbereiche abschotten. Hier haben Leser und Schreiber zumindest eine gewisse Gegenmacht.
Die öffentlich-rechtlichen Medien kennen solche Rücksichtnahmen nicht, sie werden auf der Grundlage von Gesetzen durch Pflichtbeiträge finanziert. Soweit sie unangemessene, netiquettewidrige oder gar strafbare Beiträge nicht veröffentlichen, ist das natürlich auch keine Zensur.
Aber wenn hier systematisch Beiträge, die gegen den Spin gehen, unterdrückt werden, wenn andererseits Beiträge pro Redaktionslinie massiv hereingedrückt werden, während sachliche Beiträge anderer User nur mit Glück einmal freigeschaltet werden, dann ist das Zensur. So haben Sie einen von mir entdeckten zweifelsfrei rassistischen Kommentar auf meinen Hinweis sofort gelöscht. Über den rassistischen Duktus anderer, nicht entfernter Kommentare kann man streiten.
Als halbstaatliche, öffentlich finanzierte Medien sind die Öffentlich-rechtlichen direkt der Verfassung verpflichtet. Wenn sie Diskussionsforen einrichten, unterliegen die dem Art.5 GG. Es wäre reiner Zynismus, wenn Sie jetzt erwidern, dass es keine Zensur gäbe, sondern Sie nur Ihr "Hausrecht" ausüben. Die Miete des "Hauses" und die z. Teil obszön üppigen Löhne der "Hausmeister" bezahlen nämlich die Zensierten, und zwar zwangsweise.
3. Erstaunlicherweise ist die Redaktion aber sehr großzügig, wenn es um rassistische Kommentar und Verlinkung auf ein rechtes Publikationsmedium (Junge Freiheit") geht:
4. Der Publizist und Autor Wiglaf Droste hat sich mit folgenden Worten schon vor Jahren ablehnend zur Präsenz von unter dem Label Neonazis subsumierten Figuren in den öffentl-rechtl-TV-Medien einmal folgendermassen geäußert:
"Alle Welt sucht das Gespräch mit Rechtsradikalen.
Warum? Haben sie einem etwas zu sagen? Ist nicht hinlänglich bekannt,
was sie denken, fordern und propagieren? Wo liegt der beschworene
aufklärerische Wert, wenn Henryk Broder in der `tageszeitung' Franz
Schönhuber interviewt?
Muß man an jeder Mülltonne schnuppern? Niemand wählt Nazis oder wird
einer, weil er sich über deren Ziele täuscht, - das Gegenteil ist der
Fall; Nazis sind Nazis, weil sie welche sein wollen. Eine der
unangenehmsten deutschen Eigenschaften, das triefende Mitleid mit sich
selbst und den eigenen Landsleuten, aber macht aus solchen Irrläufern
der Evolution arme Verführte, ihrem Wesen nach gut, nur eben ein
bißchen labil etc., "Menschen" jedenfalls, so Heinz Eggert, "um die
wir kämpfen müssen".
Warum? Das Schicksal von Nazis ist mir komplett gleichgültig; ob sie
hungern, frieren, bettnässen, schlecht träumen usw. geht mich nichts
an. Was mich an ihnen interessiert, ist nur eins: daß man sie hindert,
das zu tun, was sie eben tun, wenn man sie nicht hindert."
Über die Gründe für den Aufstieg der AfD wird noch viel zu reden sein. Eine Ursache dürfte in einer Berichterstattung und den oben zitierten Auftritten in Talkshows liegen, die der Strategie der Rechtsradikalen in die Hände spielte: auf gezielte Provokation und Grenzüberschreitung folgt mediale Empörung, die erstens die Sichtbarkeit der AfD erhöhte und zweitens zu Solidarisierungseffekten der Anhängerschaft führte. Im Vergleich zu anderen kleineren Parteien bekam die AfD bisher auch im WDR-Fernsehen eine Präsenz, die eher einer 20-25 %-Partei entsprech.
Auch Martin Schulz meint, um die Stimmen der "besorgten Bürger" kämpfen zu müssen. Nein! Diese besorgniserrregenden Bürger" muss man bekämpfen, nicht durch Teilnahme an Talkshows aufwerten.
Mit freundlichem Gruß
Gerhard Keller