Kriegsverbrechen in Mossul, aber die Tagesschau schweigt

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Maren
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Kriegsverbrechen in Mossul, aber die Tagesschau schweigt

Beitrag von Maren »

Programmbeschwerde: Kriegsverbrechen in Mossul, aber die Tagesschau schweigt

http://www.tagesschau.de/multimedia/vid ... 72163.html
http://www.tagesschau.de/multimedia/sen ... 18951.html

Sehr geehrte NDR Rundfunkräte,

in der Nacht zu Donnerstag, 23. März 17, starben bei Bombenangriffen der US-geführten „westlichen Koalition“ (die BRD ist natürlich mit von der Partie!) auf die irakische Stadt Mossul 230 Menschen, berichten „The Independent“ und eine Reihe von Agenturen. Quellen u.a.:

http://www.independent.co.uk/news/world ... 46011.html
http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/230320172
http://aa.com.tr/en/americas/us-led-coa ... ike/779241
http://antikrieg.com/aktuell/2017_03_24_berichte.htm

230 Zivilisten in einer Nacht, gleich 130 beim Bombardement eines einzigen Gebäudes im sehr dicht besiedelten Westteil der Stadt. Der Kampf gegen den IS wird vom Westen in einer Weise geführt, die unter der Zivilbevölkerung Todesopfer in nicht mehr kontrollierbarem Umfang fordert. Selbst das US-Zentralkommando lässt jetzt wissen, dass eine Untersuchung der Ursachen für die hohen Verluste eingeleitet werden müsse.

Und was berichtet ARD-aktuell über diesen Blutzoll unbeteiligter Zivilisten im Krieg gegen den „Islamischen Staat“ in Mossul?

NICHTS

Ganz recht, nicht ein Wort. Oder sie liefert eine von den Tätern ablenkende Fälschung: "Bei einer Explosion starben nach Medienberichten einhundert Menschen". (Link s. Betreff).

Mossul ist ja auch nicht Ost-Aleppo. In Ost-Aleppo haben syrische Armee und russische Luftwaffe beim Kampf gegen „moderate Rebellen“ – wir erinnern uns – täglich mindestens eine Schule und ein zwei Krankenhäuser bombardiert, ARD-aktuell lieferte von Terroristen eingekauftes Bild- und Informationsmaterial am laufenden Band, eine Hauptquelle waren die al-Nusra-Propaganda-Abteilungen „Weißhelme“ und AMC. Jetzt, in Mossul, sind aber die Guten am Werke, also die USA und ihre „westliche Koalition“, der auch Berlin ganz formal beigetreten ist. Und siehe da, auf einmal ändert der „Krieg gegen den Terror“ sein Tagesschau-Gesicht. Zwar wird noch von Flüchtlingen berichtet und vom schwierigen Leben der in Mossul eingeschlossenen 400 000 Menschen. Nicht aber von US-Kriegsverbrechen, nicht von Gräueln der irakischen Armee, nicht davon, dass allein in der ersten Märzwoche 370 Zivilisten starben.

Und schon gar nicht, dass sogar ein irakischer General unerträgliche Verhältnisse schildert: Seit Beginn der Offensive auf West-Mossul vor einigen Wochen seien bereits mindestens 4000 Zivilisten getötet und mehr als 10 000 verwundet worden, nach anderen Angaben sogar mehr als 22 000. Quellen u.a.:

https://southfront.org/about-4000-peopl ... i-general/
http://aa.com.tr/en/middle-east/4-000-i ... rce/778777

Nein, „in Treue fest“ zur Berliner Regierung stehend als einem der Mittäter bei dieser ungeheuerlichen Schlächterei verschweigt ARD-aktuell solche negativen Informationen. Sie könnten ein gar zu schlechtes Licht auf die Amis und ihre Verbündeten werfen. Selbst die Süddeutsche, neben der Zeit wichtigstes Bellizistenblatt der Repulik, ließ sich zu einer Nachrichtengebung herbei: „Immer mehr tote Zivilisten bei Mossul [...]“ Quelle:

http://www.sueddeutsche.de/news/politik ... -99-796454

Werfen wir noch einen Blick auf das andere, von ARD-aktuell und den übrigen Staats- und Kommerzmedien weitgehend ignorierte Schlachtfeld, auf dem der USA-geführte Westen für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte massenmordet:

Jemen. Die Vereinten Nationen, gewiss keine neutrale Institution, gaben am 24. März bekannt, dass nach ihren Erkenntnissen mindestens 4800 jemenitische Zivilisten starben. Sie starben im Bombenhagel westlicher Freiheitskämpfer mit saudi-arabischem Hintergrund, US-amerikanischer Anleitung und bundesdeutscher Bewaffnung starben. 8000 seien verstümmelt worden. Quellen u.a.:

http://aa.com.tr/en/middle-east/almost- ... -un/779140

Ein klassisches Instrument der Meinungsmache, der Manipulation, ist die gezielte Unterschlagung wesentlicher Informationen und deren Kontexte. Damit werden die vom Staatsvertrag gezogenen Grenzen verletzt und seine Ziele verfehlt.

Bei ARD-aktuell sind die dazu erforderlichen Qualitätsjournalisten am Werk. Nachrichtenunterschlagung setzt Absicht voraus. Die unterstellen wir im vorliegenden Fall. Denn dass ARD-aktuell über Belagerung und Erstürmung einer Stadt mit vielen Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung umfassend und kontinuierlich berichten kann, wenn sie nur will, das hat die Redaktion im Fall Ost-Aleppo bewiesen. Da ging es ja gegen den Russen. Wenn’s gegen den Ami geht, dann kneift und kuscht Gniffkes Qualitätsverein.

Volker Bräutigam, Friedhelm Klinkhammer
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Maren
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Re: Kriegsverbrechen in Mossul, aber die Tagesschau schweigt

Beitrag von Maren »

Von: publikumsservice@tagesschau.de
Betreff: Ihre Nachricht vom 25.03.2017

Sehr geehrter Herr Klinkhammer,
sehr geehrter Herr Bräutigam,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 25.03.2017.

Sie bemängeln, dass ARD-aktuell nicht über den mutmaßlichen Luftangriff der Anti-IS-Koalition auf die Stadt Mossul am 23.03.2017 und die vielen zivilen Opfer berichtet habe.

Tatsächlich haben Tagesschau, Tagesthemen und tagesschau.de sehr ausführlich über das Schicksal der Zivilisten in Mossul berichtet. Am 23.03.2017 war die Nachrichtenlage zunächst unklar. Über die Hintergründe der Explosion eines Sprengstofflasters gab es zunächst widersprüchliche Meldungen. Diese haben wir auf tagesschau.de zusammengefasst:

http://www.tagesschau.de/ausland/mossul ... n-101.html

Als sich wenige Tage später eine mögliche Beteiligung des US-Militärs an dem Tod der Zivilisten abzeichnete, hat ARD-aktuell dies ebenso thematisiert wie die Kritik der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die den mangelnden Schutz von Zivilisten in Mossul angeprangert haben:

http://www.tagesschau.de/ausland/mossul-311.html
http://www.tagesschau.de/multimedia/vid ... 73557.html

Bitte bedenken Sie grundsätzlich: Jeden Tag wird bei ARD-aktuell aufs Neue darüber diskutiert und gerungen, über welche Ereignisse in welchem Umfang berichtet wird. Nachrichten zu machen, bedeutet stets, Nachrichten zu gewichten und eine Auswahl zu treffen, denn aus Tausenden von Meldungen muss zwangsläufig eine Auswahl getroffen werden. ARD-aktuell ist sich dieser Tatsache bewusst, und wir gehen so verantwortungsvoll wie wir können damit um. Dabei sind wir keiner politischen Instanz, Partei oder sonstigen Interessengruppen verpflichtet. Das öffentlich-rechtliche ARD-Gemeinschaftsprogramm wird aus Rundfunkbeiträgen finanziert und arbeitet frei von staatlicher Einflussnahme. Ob und in welchem Umfang über ein Thema berichtet wird, hängt auch davon ab, was sich an dem jeweiligen Tag noch alles ereignet hat. So kommt es vor, dass bestimmte Begebenheiten an einem Tag Einzug in unser Nachrichtenangebot erhalten, an einem anderen Tag dagegen nicht. Die Relevanz eines Themas ist gewissermaßen relativ und kann nur im Zusammenhang mit anderen tagesaktuellen Themen bewertet werden.

Natürlich kann man geteilter Meinung darüber sein, für wie wichtig man welche Themen hält. Wir versichern Ihnen aber, dass wir uns tagtäglich bemühen, unsere Zuschauer möglichst umfassend über das Weltgeschehen zu informieren.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kai Gniffke
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Maren
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Re: Kriegsverbrechen in Mossul, aber die Tagesschau schweigt

Beitrag von Maren »

Sehr geehrte Rundfunkräte,

wenn Sie unsere Programmbeschwerde genauer gelesen hätten, wäre Ihnen nicht verborgen geblieben, dass wir keine "Anregung" gegeben, sondern uns beschwerdeführend auf zwei Tagesschau.de Berichte bezogen hatten. Die Unaufrichtigkeit der Stellungnahme des Chefredakteurs offenbart sich, wenn man bedenkt, wie er mit Meldungen z.B. der SOHR umgeht.

Von jenem obskuren Laden wurde nicht nur während der Befreiung Aleppos ohne Prüfung (die auch gar nicht möglich wäre) jede Meldung übernommen, weil sie meist parteiisch für die „Rebellen“ und gegen die Russen und den "Machthaber" gerichtet waren. In Falle Mossul legt der Chefredakteur demgegenüber erstaunlichen Wert darauf, abzuwarten und erst bei "gesicherter Informationslage" zu berichten, was immer das heißen mag. Und das, obwohl andere seriöse Quellen bereits berichtet hatten.

Wir fordern Sie auf, den Vorgang im Rundfunkrat zu erörtern.

F. Klinkhammer, V. Bräutigam
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