Rede des Friedenspreisträgers 2015, Navid Kermani

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Maren
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Rede des Friedenspreisträgers 2015, Navid Kermani

Beitrag von Maren »

Uns erreichte die Nachricht eines Zuschauers, der sich intensiv mit der bewegenden Rede des Friedenspreisträgers 2015, Navid Kermani, befasst hat. Die Rede des Preisträgers wurde für die Nachrichtensendung ZDF heute-journal auf eine Sequenz heruntergebrochen, in der wichtige Aussagen durch den unglücklichen Schnitt überhaupt nicht zur Sprache kamen. Nun ist klar, dass man für eine Nachrichtensendung in der gebotenen Kürze keine umfassenden Ausschnitte einer Rede unterbringen kann, aber bei der Auswahl der Sequenzen sollten sinnvoller Weise schon die zentralen Aussagen unbeschädigt bleiben.

Ich erinnere an diese Beschwerde, in der ein merkwürdig gekürztes Interview thematisiert wurde. Relativierende und aufklärende Sequenzen wurden gekappt und damit die Aussagen an wichtigen Stellen verfälscht.

Zurück zur Beanstandung:

Im Original dauert die Rede des Friedenspreisträgers 2015, Navid Kermani, knapp 52 Minuten.

Das ZDF produzierte für die Nachrichten und für Facebook zwei kurze Ausschnitte der Rede. Die erste, 4:51 Minuten dauernde, Version wurde am 18.10.2015 um 21:45 Uhr im ZDF heute- journal gesendet.

Die nochmals gekürzte Version dauerte nur noch 2:03 Minuten. Hier wurden am Anfang und am Ende zwei wesentliche Aussagen von Kermani weggeschnitten, die dem Redeausschnitt die eigentlich zentrale Aussage der Rede nehmen. Diese Version wurde dann auch auf Facebook am 19.10 um 11:21 Uhr veröffentlicht.

Am Anfang des Videos fehlt der wichtige Teil, in dem der Redner auf den IS einging und weiter davon berichtete, dass
Jack Murat entführt wurde und Pater Jack ein Geisel des IS ist. Am Ende wiederum fehlt der Teil, in dem der Redner, sehr bewegt und den Tränen nahe, davon berichtet: "Ja es gibt Hoffnung: Pater Jack ist frei".

Unser Zuschauer mutmaßt, dass im letzten Schnitt Anfang und Ende entfernt wurde, um das Gesagte aus dem Zusammenhang zu reißen, den man tatsächlich nur versteht, wenn Anfang und Ende korrekt sind. Kermani machte folgende Anspielung: “Als Muslim ist es nicht an mir, den Christen in der Welt vorzuwerfen, sich - wenn schon nicht um das syrische oder irakische Volk - nicht einmal um ihre eigenen Glaubensgeschwister zu bekümmern.”

Hier liegt, nach Ansicht des Zuschauers, der Verdacht nahe, dass Anfang und Ende entfernt wurden, um den Zuschauer nicht noch einmal mit der Nase darauf zu stoßen, dass hier ein konkreter, wenn auch leicht diffiziler Vorwurf bezüglich der Gefangennahme seines Freundes Pater Jack an die Christen (Westen) vorlag.

Warum das ZDF auf seiner zugriffsstarken Facebookseite diesen Videoschnipsel und nicht das komplette Interview (was ja im Onlineangebot zu finden ist) verlinkte, bleibt ein Rätsel. Es gab immerhin 63.055 Zugriffe, der Beitrag wurde 644 mal geteilt und weit über 1000 Nutzern gefiel der Beitrag. Ein Beitrag, wohlgemerkt, der aus dem Zusammenhang gerissen wurde.

Es wird sicherlich wieder Leute geben, die diese Beanstandung als zu kleinteilig und als nicht relevant empfinden. Jedoch ist es originäre Aufgabe der Medien, aufzuklären und nicht zu verwirren. Die komplette Rede möchte ich unseren Besuchern wärmstens ans Herz legen. Vielleicht ergibt sich am morgigen Feiertag ein Stündchen Zeit für diesen klugen und berührenden Mann, der uns mehr zu sagen hat, als es uns die Nachrichten im ZDF glauben machen wollten.

Navid Kermanis bewegende Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises in gesamter Länge.
Den größten Fehler begehen wir, wenn wir weiterhin nichts gegen den Massenmord vor unserer Haustür tun.
Zuletzt geändert von Maren am 4. November 2015, 13:47, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Missverständliche Formulierung angepasst
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Maren
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Re: Rede des Friedenspreisträgers 2015, Navid Kermani

Beitrag von Maren »

Der zweite Chefredakteur des ZDF, Elmar Theveßen, war so freundlich auf die Beanstandung zu antworten.
Sehr geehrte Frau Müller,

herzlichen Dank für den Hinweis. Ich habe mir beide Versionen noch einmal angeschaut. Die Kritik kann ich leider nicht teilen.

In der Langversion taucht der "versteckte" mögliche Vorwurf an die Christen zweimal auf, in der Kurzversion einmal. Bei der Langversion zeigt die erste Erwähnung ja, dass Pater Jaques dies in seiner Reaktion auf die Ankunft des IS selbst so formuliert.

Wo in der Kurzversion eine Verfälschung entstanden sein soll, ist für mich nicht nachvollziehbar. Und dem Ersteller der Kurzversion - einmal mehr - schlechte Absichten zu unterstellen, kann ich erst recht nicht verstehen. Die Erfahrung lehrt, dass auf FB kürzere Beiträge größere Chancen haben, angesehen zu werden. Solange durch die Kürzung nichts verfälscht wird, halte ich das für völlig legitim. Und hier ist definitiv nichts verfälscht worden - weder versehentlich, noch absichtlich.

Ich bitte aber die Kollegen, bei künftigen Kurzversionen immer den Link in den Antext bei Facebook einzubauen, so dass sich jeder, der möchte, auch das Gesamtbild holen kann.

Mit herzlichen Grüßen,

Elmar Theveßen
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Maren
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Re: Rede des Friedenspreisträgers 2015, Navid Kermani

Beitrag von Maren »

Nochmalige Entgegnung und damit das Ende der Konversation.
Lieber Herr Theveßen,

danke für Ihre Antwort und die Einschätzung.

Der versteckte Vorwurf an die Christen tauchte in der Kurzversion (FB) auf, aber nicht die Geschichte des entführten Paters.

Die Geschichte in der längeren (4:52) Version ist "rund" - hat trotz der Kürze einen logischen Anfang und ein schlüssiges Ende. Diese Version rüttelt auf, macht betroffen und versöhnt am Ende wieder - zumindest was das Einzelschicksal anbelangt. Ich finde diesen Beitrag vom Schnitt sehr gelungen, im Gegensatz zur verkürzten Version. Er weckte (zumindest in mir) tatsächlich das Interesse, die komplette Rede anzuhören.

Ich teile Ihre Ansicht, dass auf FB kürzere Beiträge die größere Chance haben, auch angeklickt und gesehen zu werden (4 Minuten sind auch kurz) und danke Ihnen für den Vorschlag, künftig die Vollversion in der Mediathek zu verlinken.

Den Text im Forum hab ich entschärft. Ehrlich gesagt, glaube ich (in diesem Fall) auch nicht an Vorsatz.

Mit freundlichen Grüßen

Maren Müller
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