NDR - Der Euroschreck bei Jauch

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Maren
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NDR - Der Euroschreck bei Jauch

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Norddeutscher Rundfunk
Herrn
Lutz Marmor
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg


Programmbeschwerde


Sehr geehrter Herr Marmor,

hiermit erheben wir, die Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien, formal Beschwerde wegen der vorsätzlichen und grob verfälschenden Darstellung des griechischen Finanzministers Varoufakis innerhalb der Sendung Günther Jauch vom 15.03.2015.

Günther Jauch behauptete in der Sendung, dass Varoufakis geäußert habe, Griechenland solle seine Schulden einfach nicht bezahlen und Deutschland den Mittelfinger zeigen und spielte zur Untermauerung der Behauptung ein entsprechendes Video ein. Dass das Video aus einem gänzlich anderen Kontext stammte „vergaß“ er dabei zu erwähnen. Durch die mit Varoufakis Rede verschachtelten Einspielung des Sprechers wird der Eindruck erweckt, Varoufakis spräche bereits als Minister bzw. beziehe sich auf die Gegenwart.

Das entsprechende Video stammt jedoch aus einer Zeit vor Varoufakis Regierungsverantwortung und entstand während einer Vorstellung des Buches »Der globale Minotaurus«. Der Kritiker der damaligen griechischen Regierung Varoufakis nimmt dabei Bezug auf die Anfänge der Krisenpolitik im Jahr 2010 und Argentinien und spricht sich erkennbar hypothetisch aus:
“Now, let me speak from a Greek perspective. What we have done, what the Greek state has done, what the successive three different governments have done since the debt crisis… the debt exploded in early 2010, was a crime against humanity. So I don’t defend the fact that we stayed in the Euro, following the prescriptions that were coming to us by Brussels and Frankfurt and so on. My proposal was that Greece should simply announce that it is defaulting – just like Argentina did – within the Euro in January 2010, and stick the finger to Germany and say well, you can now solve this problem by yourself.”
Mit „my proposal was“, bereits 2013 in der Vergangenheit formuliert und auf die Situation im Jahre 2010 bezogen, wird deutlich, dass lediglich eine hypothetische Situation beschrieben wurde, die mit der heutigen Situation und seinem Ministeramt in keinem Zusammenhang steht.

Die Überleitung und die Frage Jauchs: „Der Stinkefinger für Deutschland, Herr Minister. Die Deutschen zahlen am meisten, und werden dafür mit Abstand am meisten kritisiert. Wie passt das zusammen?“ ergeben wegen des kontextfremden Bezuges weder Sinn, noch zeugen sie aufgrund ihrer eindeutig identifizierbaren Absicht von journalistischem Anstand.

Das bewusst irreführend gekürzte und im falschen Kontext präsentierte Zitat wurde vom Moderator Jauch vorsätzlich dazu benutzt, den griechischen Finanzminister bestimmten ehrverletzende Schlussfolgerungen des Publikums auszusetzen.

Der wiederholte Versuch einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt durch konstruierte Inhalte Vorurteile und Ressentiments gegenüber Griechenland zu schüren, widerspricht in eklatanter Weise dem gesetzlich definierten Programmauftrag und erwecken nicht den Eindruck, dass es den Programmverantwortlichen um die Sache geht.

Das immer mehr auf Sensation und Quote zielende Format Günther Jauch widerspricht mit derart unredlichen Methoden anerkannten journalistischen Grundsätze, verspielt sowohl das Vertrauen des Publikums als auch das potentieller Gesprächspartner im In- und Ausland und wirft darüber hinaus ein negatives Licht auf die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten in Deutschland.

Wir sehen in dem aus dem Kontext gerissenen Beitrag einen Verstoß gegen die Wahrheitspflicht und eine Täuschung des Publikums, sowie in der widerholt einseitigen und tendenziösen Berichterstattung zu Ungunsten unseres europäischen Partnerlandes Griechenland, grobe Verstöße gegen die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit.

Der explizite Auftrag, die freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung des Publikums zu fördern, wird mit Programminhalten wie diesen deutlich verfehlt.


Zum Zwecke der Transparenz werden wir diese Beschwerde sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.


Mit freundlichen Grüßen


i. A. Maren Müller
Vorsitzende
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Maren
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Re: NDR - Der Euroschreck bei Jauch

Beitrag von Maren »

Antwort aus der Chefredaktion von Günther Jauch.
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Maren
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Re: NDR - Der Euroschreck bei Jauch

Beitrag von Maren »

Norddeutscher Rundfunk
Herrn
Lutz Marmor
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg



Schreiben vom 10.04.2015 zur Sendung „Euroschreck bei Jauch“


Sehr geehrter Herr Marmor,

vielen Dank für die Stellungnahme der Redaktion Günter Jauch zu unserer Beschwerde wegen vorsätzlicher und grob verfälschender Darstellung des griechischen Finanzministers Varoufakis innerhalb der Sendung Günther Jauch vom 15.03.2015.

Leider wird in der Stellungnahme vermieden auf den Beschwerdegegenstand einzugehen und es sieht so aus, als handele es sich um eine Musterantwort auf diverse andere Beschwerden zur Causa.

Originell dabei ist, dass sich eben der unterzeichnende Chefredakteur Andreas Cichowicz bereits am 15.03.2015 relativierend über Twitter äußerte.

An keiner Stelle unserer Beschwerde wurde Zweifel an der Echtheit des Videos geäußert, in dessen Verlauf Yannis Varoufakis zu der von Günther Jauch skandalisierten Geste ausholte.
Die Antwort der Redaktion Günther Jauch wird daher als unzureichend und verfehlt zurückgewiesen.

Es stellt sich rückblickend nicht nur die Frage, warum die zuständige Redaktion so tut, als würde sie unsere Beschwerde nicht verstehen, sondern folgerichtig auch nach dem explizitem Grund für die minutiös geplante Vorführung des griechischen Finanzministers.

So eine Sendung wird geplant und es passiert vermutlich kaum etwas spontan. So war besagtes Video der Teil einer minutiös und professionell geplanten medialen Inszenierung der Redaktion Günther Jauch, in der bewusst dafür gesorgt wurde, dass sich sowohl Kontext als auch die inhaltliche Auseinandersetzung verflüchtigte und der Empörung Platz einräumte. Über Inhalte wurde nach dem Vorfall kaum noch debattiert.

Wie lange musste die Redaktion Jauch suchen, um brauchbares Material zur Demontage eines linken Politikers zu finden, von dessen Reputation der Großteil der aktuell regierenden EU-Politiker und der anwesenden Provinzpolitiker im Studio nur träumen kann?

Ist es für ein öffentlich-rechtliches Format wünschenswert, sich zum Handlanger und Themengeber für die Springerpresse zu disqualifizieren, die sich seit Anbeginn der Regierungsverantwortung von Syriza in der Dämonisierung Varoufakis übt?

War die aktiv betriebene Dekontextualisierung des hochkarätigen und vor allem notwendigen Diskurses über die griechische Schuldenproblematik ein weiterer Beitrag zur „freien Meinungsbildung“ des Publikums in dessen Verlauf sich die Zustimmungswerte im hauseigenen „ARD-Deutschlandtrend“ in einer bestimmten Richtung einpegeln?
„Das Zerren um die griechischen Schulden wirkt sich laut aktuellen Umfragen auch auf das Verhältnis zwischen Griechenland und Deutschland aus. Die Beziehungen zwischen den beiden Regierungen bewertet eine große Mehrheit der Bürger laut ARD Deutschlandtrend mittlerweile als weniger gut (54 Prozent) oder sogar schlecht (30 Prozent).“
Liegt es im besonderen Interesse der ARD und der Redaktion Jauch, dass als Quintessenz dieses „Polittalks“ der griechische Minister als besonders vulgär und reduziert auf eine Geste im kollektiven Gedächtnis des Publikums verbleibt?

Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass suggeriert werden sollte, Varoufakis spräche von der Gegenwart. Die nur wenige Sekunden dauernde Zeiteinblendung „Mai 2013″ taugt vielleicht als Alibi für die Redaktion Jauch, wird jedoch bei der direkten Rezeption des Beitrages kaum bewusst wahrgenommen.

Ab Minute 23:40 führt Jauch u. a. mit den Worten an, dass die Deutschen zuweilen irritiert seien über die Art in der gerade Varoufikis gegenüber unserem Land aufgetreten sei und leitet zum beanstandeten Video über.

Den Deutschen, die angeblich zuweilen irritiert über die Art Varoufakis seien, dürfte dieses Video bislang gänzlich unbekannt gewesen sein. Irritationen hatte es in der Vergangenheit sicherlich gegeben, aber zumeist wurden diese ausgelöst durch unsachgemäße Berichterstattungen, falsche Übersetzungen, verkürzte Zitate und der Verbreitung schlichter Desinformationen, auch durch öffentlich-rechtliche Medienanstalten.

Die rhetorische Untermalung des skandalisierten Inhaltes wird im Präsens vorgetragen, was bekanntlich jene Zeitform beschreibt, mit der ein verbales Geschehen oder Sein als gegenwärtig charakterisiert wird.
Sprecher: Varoufakis will den Griechen neues Selbstvertrauen geben und steht für klare Botschaften, besonders an Deutschland.
Einblendung Varoufakis: … und Deutschland den Finger zeigen und sagen: Jetzt könnt ihr das Problem alleine lösen.
Da dieses Video durch die Sendung Günther Jauch einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde, kann man sich inzwischen bei Bedarf im Netz die ungeschnittene Fassung ansehen und den tatsächlichen Zusammenhang nachvollziehen. Jauchs Kampagnenjournalismus, der sich bereits bei der Wahl des Titels der Sendung offenbarte, ist bestens dazu geeignet, das ohnehin schon belastete Verhältnis zwischen Deutschen und Griechen weiter zu verhärten.
Zur weiteren Veranschaulichung der Beschwerde fügen wir ein Zitat eines pfiffigen jungen Mannes vom ZDF hinzu, der eine angemessene Antwort auf das unwürdige Spektakel fand, welches vorsätzlich von Ihrem Hause verursacht wurde.
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Jan Böhmermann hat in seiner entlarvenden und subversiven Produktion in wirkungsvoller Weise die Wirkmacht von Bildern und deren manipulativen Einsatz - ohne den diverse TV-Formate offenbar nicht mehr auskommen - thematisiert. Dafür gebührt ihm großer Dank.

Wir halten am Vorwurf des Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht und der Täuschung des Publikums fest. Diffamierende Inszenierungen wie die Beanstandete widersprechen den Programmgrundsätzen der ARD und verfehlen den gesetzlichen Auftrag der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung des Publikums.

§ 7Programmgrundsätze - relevante Auszüge
Der NDR hat in seinen Programmen die Würde des Menschen zu achten und zu schützen.
Das Programm des NDR soll die Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland sowie die internationale Verständigung fördern.

§ 8 Programmgestaltung - relevante Auszüge
Der NDR ist in seinem Programm zur Wahrheit verpflichtet. Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen (…) zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein.

Wir halten an unserer Beschwerde fest und übergeben die Angelegenheit dem NDR-Rundfunkrat in der Hoffnung, dass dieser die Dimensionen derartig unseriöser Produktionen für das Ansehen der ARD und deren Glaubwürdigkeit im In- und Ausland erkennt und entsprechende Maßnahmen ergreift.

Zum Zwecke der Transparenz werden wir diese Antwort sowie die Antwort der Programmverantwortlichen auf der Webseite des Vereins http://forum.publikumskonferenz.de/ veröffentlichen.


Mit freundlichen Grüßen


i. A. Maren Müller
Vorsitzende
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Re: NDR - Der Euroschreck bei Jauch

Beitrag von Maren »

Zwischenbescheid vom Rundfunkrat.
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